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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 10.11.1918 (3.2012.2822)

 

10. 11. 1918.
8 00 Vorm.


499.

Meine Lieben!
Das war ein Erwachen heute!
Was bedeutet dieser Augenblick in der Weltgeschichte und für jedes schlagende Herz! Im ½ 6 kam meine Ordonanz hereingestürmt: „Herr Leutnant! Telegramm der Obersten Heeresleitung: Der Waffenstillstand wird beschleunigt abgeschlossen.“ - Draußen im Burschenzimmer hörte ich schon Hurra schreien und auf der Straße draußen hörte man schon freudig erregte Stimmen und eiliges Gelaufe und Fenster öffnen. Ich zog mich sofort an, lief zur Fernsprechvermittlung, wo der Fernspruch gerade aufgenommen worden war und ins Reine geschrieben wurde. Deshalb lief ich gleich weiter und weckte alle Kameraden mit der freudigen Nachricht. Ein Seufzen der Erleichterung, der Erlösung entfuhr uns allen. Endlich, endlich! Das wonach wir uns in 4 Jahren fern von allem, was uns lieb war, mit heißen Sinnen gesehnt haben, das ist jetzt Wirklichkeit geworden! Ich kann\'s kaum glauben: wir sollen jetzt nicht mehr kämpfen müssen, wir dürfen zusammenpacken und den Heimmarsch antreten, nach Haus, zu den Eltern u. Geschwistern, zur Arbeit und zu den 1000 kleinen und großen Freuden des Alltags und der Feiertage daheim!
Ach, ich bin unsäglich glücklich! Wie können wir Gott danken, daß das Blutvergießen nun endlich ein Ende haben soll! Und mir ist nicht Angst wegen der augenblicklichen Zustände im Vaterland. Unsere Leute sagen alle, sobald wir erst selber zu Hause sind, dann wollen wir schon Ordnung schaffen! Und wenn vielleicht auch Deutschland sich jetzt von seinen Feinden demütigen lassen muss, lange kann das nicht dauern. Das deutsche Volk ist zu stark, seine Kraft ungeheuer, wenn es einig ist und die Feinde werden mit sich selbst noch genug zu tun haben. Und dann haben wir unseren Gott im Himmel, der uns nicht zu Schanden werden läßt, wenn wir an ihn glauben und jeder seine Pflicht tut, wie sie ihm durch das Gewissen vorgeschrieben wird. - Was in den nächsten Tagen werden wird, können wir jetzt noch nicht wissen. Lange werden wir wohl nicht auf dem franz. Boden bleiben, und dann wird die Postverbindung zur Heimat vorerst schlecht sein. Sorgt Euch also nicht, wenn Ihr mal länger keine Nachricht bekommt. - Gestern kam Muttle\'s lieber langer Brief, für den ich ihr einstweilen herzlich danke!
Für heute bin ich mit 1000 innigen Grüßen Euer Euchl. Wolf.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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