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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 26.05.1918 (3.2012.2822)

 

26. Mai 1918.


413.

Meine Lieben!
Recht kümmerlich habe ich Euch während der letzten Tage mit Nachrichten versorgt, so will ich heute wenigstens einen Sonntagsbrief schreiben. Er wird wenig stilvoll und recht inhaltslos sein, haltet\'s mir zu gute, daß ich gestern Nacht erst um ½ 3 oder wohl noch etwas später in die Falle gekrochen bin und heute schon um ¾ 7 wieder hochstieg, Ich war nämlich gewohnheitsgemäß so „früh“ aufgewacht und wollte dann nicht mehr liegen bleiben, um möglichst viel vom Tag zu haben. - Gestern Nacht habe ich nun nicht etwa gesumpft, wie Ihr leichthin denken möget – mit gewisser Beruhigung entschieden beim Anblick meines mit Bierflaschen, Weiß- Rot- u. Wermuthweine und Kirschverschnitt gefüllten Weinschrankes, denn: noblesse oblige – sondern mit der schon immer lebhaft gehegten Absicht, heute mal bald zu Bett zu gehen, hatte ich mich über ein Schriftchen von Emil F[…] „Sauernachtstraum[?]“ hergemacht und war auch schon zu der Zeit, da Vati sonst zum ersten Mal zu mahnen pflegt, fertig geworden, als der Feldwebel mit den Befehlen vom Bataillon ankam, wonach sich morgen früh so u. so viele Feldarbeiter zum landwirtschaftlichen Urlaub beim Batl. melden sollen. Nun mußte die Urlaubsliste geprüft werden, wer war am längsten nicht zu Hause, wer hat\'s am nötigsten, ist dieser nicht vor dem gefahren, und schicken wir den nicht besser erst dann, u. so weiter. So mußte hin u. her erwägt werden, damit die Leute merken, daß Ihr Leib- u. Magengericht, das da heißt „Urlaub! Urlaub! Urlaub!“ sorgsam u. schmackhaft für jeden, zubereitet wird. Nun galt\'s, die Leute zusammenzubringen, die als Wachmannschaften auf verschiedene Lager verteilt waren. Mitten durchs Duster mußte ich meine Ordonnanzen zu Rade losschicken, dann mußten die vielen Urlaubs- u. Fahrscheine und Ausweise ausgestellt werden und ich mußte meinen Namen drunterhauen. Ach, bekäme ich 1 Pfennig jedes mal, wenn ich meinen Namen schreibe, die ganze nächste Kriegsanleihe könnte ich alleine zeichnen. Ja, wenn der Herr Staatssekretär des Reichsschatzamtes wüßte ….
Außer meinen Engländern, mit denen ich immer einige Brocken spreche, die ein „Kenner“ lieber nicht hören dürfte, habe ich heute als kleine Sonntagsfreude noch einige hundert Portugiesen aufgestellt bekommen. Es sollen französisch sprechende darunter sein, da kann man sich wenigstens ein bißchen unterhalten. Es tut mir leid, daß ich Euch nichts Näheres über den ganzen Dienstbetrieb schreiben darf, aber das müssen wir halt für die Zeit nach dem Kriege aufsparen. So gar lang ist das ja hoffentlich nicht mehr.
Für heute verbleibe ich mit 1000 herzlichen Grüßen Euer Euchl.
Wolf.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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