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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 27.11.1918 (3.2012.2822)

 

27. 11.1918. Abends



Meine Lieben!
Ich habe seit vorgestern früh keine Nachricht mehr von Euch, nehme aber an, daß es Euch allen gut geht. Ich habe vorgestern den Brief versehentlich ohne Marken in den Postwagen des Frankfurter Zuges geworfen. Hoffentlich ist er wenigstens angekommen. Es tut mir leid, daß Ihr Strafgebühr bezahlen müßt. Man ist das noch so wenig gewöhnt, Marken aufzukleben! - Mir geht es ausgezeichnet, nur möchte ich gern so bald wie möglich nach Hause. Mir tut jeder Tag leid, den ich jetzt hier müßig sitze, während in Frankfurt Vorlesungen gehalten werden, an denen ich schon so gut teilnehmen könnte. Wir müssen hier leider immer noch auf Abtransport warten, bei Frankfurt und Kassel sollen die Eisenbahnverhältnisse zur Zeit derartig schwierig sein, daß zur Zeit garnicht daran zu denken ist, nach Norden durchzukommen. Ich persönlich würde davon garnicht betroffen, denn von hier bis Frankfurt verkehren die Züge tadellos und es ist ein scheußlicher Zustand, wenn man weiß, daß man entlassen werden kann und trotzdem dableiben muß als „d. u.“ „dauernd unabkömmlich“! Na, vor dem 11. Dezember müssen Johannes und ich ja zu Hause sein, solang wollen wir uns schon in Geduld fassen. - Leider werden unsere besten Leute immer ungeduldiger, sehr vielen ist mit Vernunftgründen garnicht beizukommen und wenn selbst verständige Leute kein Einsehen haben wollen, aus kleinlichstem Egoismus, dann möchte man heulen vor Wut. Als wenn wir Offiziere irgendein Interesse daran hätten, einen Mann auch nur eine Minute länger zurückzuhalten, als unbedingt notwendig. Und leider leider läuft die große Masse immer denen nach, die die große Schnauze haben und den Leuten Dinge versprechen, die sie niemals verantworten können. Unser Bataillon ist noch das beste, wir haben wenig Schwierigkeiten, meist sind es nur einzelne Stänkerer, die sich anmaßen, Vertreter der allgemeinen Stimmung zu sein. Wenn wir nur erst alle glücklich zu Hause sind, dann wird schon wieder Ordnung. Heute trostloses Regenwetter, wird aber auch wieder besser werden, über die Sonne freuen wir uns später dann umso mehr. Deshalb lassen wir noch den Kopf nicht hängen.
1000 hrzl. Grüße Euer Euchl. Wolf.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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