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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 12.04.1915 (3.2012.2822)

 

NW. Rand des Argonnenwalds. 12. April 1915.


№ 78

Meine Lieben!
Heute Nachmittag haben wir noch schöne freie Zeit, wie wir sie in Brézy kaum hatten, und da will ich Euch die Ereignisse der letzten Tage versprochenermaßen ein bißchen ausführlich mitteilen. Zunächst sollt Ihr wissen, wie ich über die Versetzung zur Infanterie denke: Wie brennend mein Wunsch war, endlich in die Front zu kommen, wißt Ihr ja, und so werdet Ihr mir auch verzeihen, wenn ich Euch jetzt erst mitteile, daß ich mich in Brécy auf Anfragen des Generalkommandos zweimal freiwillig zur Front gemeldet habe, das zweitemal mit dem Zusatz „nur für Artillerie“. Ich wußte damals, daß noch ein gutes Stück Zeit vergehen werde, bis auf die Meldung hin etwas erfolgt und da ich Euch nicht unnötig ängstigen und in Besorgnis bringen wollte, unterließ ich es, Euch davon Mitteilung zu machen. Ich bitte Euch daher herzlich um Verzeihung, da Ihr nun wißt, aus welchem Grunde ich Euch seinerzeit nicht ganz mit mir leben ließ. - Ich selbst hatte mich schon längst mit dem Gedanken abgefunden, daß ich einmal zur Infanterie kommen könnte, und war natürlich, als wir nun wirklich angefordert wurden, glückselig! Endlich können wir mal unsre jungen Kräfte an der Stelle einsetzen, die unserer Jugend entspricht und uns mehr Befriedigung geben kann, als die gewiß nicht zu verachtende Arbeit hinter der Front. Nun bin ich schon wirklicher Infanterist mit Infantriehosen, kurzen Stiefeln, Achselklappen mit <<56>> Tornister, Schanzzeug, Gewehr u.s.w. u.s.w. und heute Abend rücken wir in Stellung! Daß wir bis dahin 28 km zu marschieren haben, schreckt mich nicht. Ich bin schon mehr geloffen mit Theo zusammen und unsre Affen, die allerdings ein ganz anständiges Gewicht haben, werden mit dem Wagen gefahren. So habe ich zum Marsche, außer den Kleidern mit wohlgefüllten Taschen „nur“ folgendes zu tragen: Auf dem Kopfe einen leichten Filzhelm, in diesem eine Kopfschützer, der den etwas zu großen Helm passend macht. Auf der Schulter ruht das Gewehr, eine schöne blanke Waffe, die gut gepflegt sein will. Für uns Artilleristen ist diese „Braut des Infanteristen“ allerdings eher das Pferd, dem bisher unsre tägliche Sorge galt. - Um die Hüften trage ich ein Koppel mit allerlei Anhängseln: 1 Seitengewehr, einem Schanzzeug (Beilpicke), 2 Patronentaschen mit je 30 Patronen, die ein ganz hübsches Gewicht haben, eine Mauserpistole, einem Brotbeutel mit 30 Patronen, Proviant, Handschuhen u.s.w., einer Feldflasche mit Kaffee und in der Hand hilft ein Stock, der sogenannte „Toschne[?]“ zur leichteren Fortbewegung im Schlamm.
Heute Abend kommen wir nur in die Unterstände, und erst morgen Abend in die Schützengräben, die aber gleich vor den Unterständen, durch einen Laufgraben zugänglich liegen. - Unser Nachtlager bildeten heute ein holzwollegestopftes Leintuch und eine Decke, die im Tornister getragen wird. Der Affe dient als Kopfkissen. Auf diesem recht primitiven Lager habe ich, obwohl es zu ebener Erde und auf Steinfliesen liegt, recht gut geschlafen, wir waren ja auch nicht verwöhnt in Brézy. - Denkt Euch nur, Johannes und ich sind nicht nur in derselben Kompanie, sondern auch in der gleichen Korporalschaft!! Im Schützengraben betreuen wir unseren Stand nebeneinander!! Unser Unteroffizier ist ein ganz reizender liebenswürdiger und lustiger Mann, unsre Kameraden – alles Westfälinger und Lippedetmolder – freundlich, immer hilfsbereit lustig und im Durchschnitt 38 bis 40 Jahre alt!! Soll man nicht an die Decke springen vor Freude!! Der Unteroffizier hat z. B. gestern dem Johannes die Stiefel, die ein bißchen schwer abgingen, manu propia ausgezogen, hat uns geholfen beim Affenpacken, Mantel und Zeltbahnrollen, hat mein Gewehr zum Büchsenmacher getragen, kurzum, eine solche Kameradschaftlichkeit, wie sie hier herrscht, ist ganz rührend! - Was alles in meinem Tornister ist, wie das Essen aus der Feldküche schmeckt und alle die vielen anderen Dinge aus der neuen Welt, in der ich jetzt lebe, sollt Ihr im nächsten Briefe alle erzählt bekommen. Einstweilen 1000 herzliche Grüße Euch allen von Eurerm Euchliebenden Wolf.
Mutti\'s liebe Karte erhielt ich gestern auf der Fahrt hierher aus unsrem Feldpostwagen, der gerade nach […] fuhr. Herzl. Dank dafür!

 

 



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