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Brief (Transkript)

Schwester an Wolfgang Panzer am 25.10.1918 (3.2012.2822)

 

Frankfurt / M. 25.10.18.



Mein herzlieber Woffi!
Mit Schrecken u. Zittern schreibe ich den 25.! Daß ich Dir zum letzten Mal schrieb, das ist so lang her, daß ich schon gar nimmer weiß, wie lang. Da wird es ja die höchste Zeit, daß Du wiedermal was von meinem Leben und Treiben erfährst. Ich hab immernoch Ferien, wegen der Grippe wurden sie erst um 8 Tage u. dann noch mal um 8 Tage u. dann noch mal auf unbestimmt Zeit verlängert. Wirst mir glauben, geschimpft hab ich nicht. Aber jeden Tag später aufgestanden bin ich. Einmal sogar erst um ½ 11 und dabei könnte ich jeden Tag noch weiterschlafen, (besorge es ja auch gründlich in gehn u. stehn den ganzen Tag). Ich muß doch rein die Schlafkrankheit haben. Vormittags – soweit noch was davon vorhanden ist – mache ich mein Zimmer, füttre Namis[?] u. mein Häsle, d.h. ss ist nur seins, d. h. jetzt ist\'s keins mehr, denn heut nachmittag ist\'s uns gestohlen worden. Es ist grad zum Heulen. Das goldige Viechle, mit den herzigen Augen, die immer so ein bißle vorwurfsvoll geschaut haben, und mit seinem Fell, das weicher wie Sammt war, das ist uns jetzt gestohlen. Das Gitter am Käfig war mit aller Macht aufgebogen und das Häsle rausgezerrt. Wenn ich diesen gemeinen Jammerlappen von Dieb nur hätte, ich weiß wirklich garnicht was ich anfinge mit ihm vor Wut. Jeden morgen hab\' ich dem Häsle zulieb gestohlen, nämlich ein große Gelberübe aus Muttis Vorratskeller. Heut morgen hab\' ich ihm noch mit rechter Liebe eine große Schürze voll Klee, Löwenzahn u. Milchdistel gesucht und hab mich gefreut wies ihm geschmeckt hat u. heut nachmittag wollte ich ihm den Stall ausputzen, jetzt kann ich mich vor den leeren Stall setzen und hineinglotzen.
Also .. dann hab ich für Kinder u Vati 2 Frühstück gerichtet und dann meistens genäht. Ich hab mir nämlich 1. ohne Muttis Wissen aus einem gestrickten Wollschal durch zerschneiden u. wieder zusammennähen einen Pelzkragen und eine Pelzmütze mit Sammtkopf gemacht, und habe mir 2. auch ohne Muttis Wissen meinen alten, schweren, scheußlichen Wintermantel umgeändert, und zwar vollständig. Ich hab\' noch ein bißle Angst vor Muttis Gesicht wenn sie ihn sieht. Aussehen tut er ja ganz anständig, nur ob er sich mit den, meiner Ansicht nach, etwas zopfigen Anschauungen einer gelernten Näherin vereinbaren läßt, weiß ich nicht. Na, jetzt ist er gemacht und läßt sich nimmer ändern. Aber das ist Dir ja alles so wurst sicher aber ich weiß heut wirklich nix gescheits (sonst übrigens auch nicht.) Ich versumpfe allmählich ganz. Ich komme nimmer aus dem Haus wegen der Grippe.
Da muß ich auch schon aufhören. Güger[?] muß rasch ins Bett. Der Vati ist heimgekommen und gleich wird gegessen.
Also
1000 herzl. Grüße
Dein Dich herzl. liebendes
Hex.

[Kleiner Zettel:]
Das ist ein Aff.
ein dummer Ekelaff
von
Güger.
Gügers drittes Wort
ist jetzt Aff.
er malt nur noch Affen, spielt Aff, ist selber ein kleiner Aff.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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