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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 25.08.1917 (3.2012.2822)

 

25. 8. 1917.


250.

Meine Lieben!
Heute früh habe ich mit Exzellenz wieder einen prächtigen Spazierritt unternommen. Diesmal allerdings mit dem Feind im Rücken (aber nicht auf den Fersen!) und doch wieder nicht, denn mit dem Feind sind wir gleichwohl zusammengestoßen, wenn er auch sehr ungefährlich war. - Also, ich ritt mit Exzellenz los und wie wir an das kleine Wäldchen kamen, das wir auf dem Weg zur Division durchreiten müssen, da kommt uns ein Panjegespann entgegen im vollen Galopp, von einem kleinen polnischen Jungen geführt, hält neben uns, der Junge springt ab und ruft: „Da, da, zwai russisches“ und gestikulierte und deutete den Waldweg entlang, auf dem er gekommen war. Ich hieß ihn gleich seine Pferde stehen lassen und mitkommen, er lief auch gleich flink wie ein Wiesel uns voran, ich ritt mit Exzellenz Bügel an Bügel hinten nach. Er führte uns hinaus aufs freie Feld und ein Stück weit an den Äckern entlang u. richtig, da saßen am Weg in den bekannten Mänteln 2 waschechte Ruski\'s. Wir ritten dicht an sie heran, drohten mit der Faust u. fuchtelten mit den Armen in der Luft herum, das verstanden sie sofort, standen auf, einer salutierte sogar noch und dann ließen wir sie vor uns hermarschieren. Der eine war ein waschechter, blonder, breitnasiger Russe, der andere mag auf der Kamtschacka[?] oder am Baikal-See zu Hause sein,: Ja „Sibirski“ sagte er als wir ihn mit dem gleichen Wort fragten. Sie gehörten wohl einer sibirischen Division an, der Blonde war sehr schwach, Exzellenz holte daher sein Frühstücksbrot aus der Tasche und gab\'s ihnen. Ob ein russischer Brigadier im umgekehrten Falle das Gleiche getan hätte?!! Bei der Division gaben wir die beiden dann ab. Nach unserer Rückkehr fragte ich gleich beim Dolmetscheroffizier der Division an, der sie inzwischen verhört hatte. Bei Beginn der deutschen Durchbruchsschlacht waren sie hier zwischen Zrggan[?] u. Backow[?] gefangen worden u. dann nach J.[?] zu einem Arbeitskommando gekommen. Von dort sind sie vor einigen Tagen entwichen, auf dem Weg, den sie nach ihrer Gefangennahme geführt worden waren, zurückgekehrt und wollten nun an der ihnen bekannten Stelle der Front wieder zu den Kameraden überlaufen. - Neulich Nacht haben unsere Posten ja auch einmal im vordersten Graben 3 Russen geschnappt, die aus Lemberg entwichen waren und wieder überlaufen wollten. - Es war heute Vorm. jedenfalls ein belustigender Zwischenfall. - Ich war dann mit Exzellenz nach in Kolcow, habe mir das Schloß des Herrn Golgnowski u. seiner Frau Baranowska angesehen, das schon ziemlich seine ganze Übertünchung im wahrsten Sinn des Wortes verloren hat, im übrigen aber sehr schön, nicht unähnlich dem Wilhelmshöher Schloß bei Kassel, auf einen künstlichen See und große Baumkronen herabsieht. Eigenartig ist der Gegensatz des prunkvoll weißen Unterbaus, auf dem sich ein monumental geschwungenes Dach mit Holzschindeln belegt, breitmacht, das seinerseits wieder mit weißen Empire-Marmorvasen geziert ist. Von den Säulen vor dem Portal stehen nur noch die Sockel, aber ich bin sicher, daß die ehemaligen Marmorsäulen aus überkalkten Ziegelsteinen aufgebaut waren! -
- So nun ist der Bogen zu Ende, auch meine Weisheit so ziemlich. - Ganz prächtiges Wetter war heute. Johannes hat mich heute Nachm. besucht, daß mir\'s glänzend geht, brauche ich Euch garnicht zu versichern. - 1000 hrzl. Grüße Euer Euchl. Wolf.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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