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Brief (Transkript)

Kamerad an Wolfgang Panzer am 03.12.1917 (3.2012.2822)

 

3. 12. 17.



Sehr geehrter Herr Leutnant!

Der gehorsamst Unterzeichnete erlaubt sich hiermit, Herrn Leutnant in nachstehender Angelegenheit um Rat bzw. Auskunft zu bitten. Die Erinnerung an das stets wohlwollende interessierte Verhalten mir gegenüber lässt mich hoffen, dass mir dieser lange aufgeschobene Schritt nicht verkehrt ausgelegt wird.
Unterzeichneter ist seit 2. Mobilmachungstag eingezogen, seit Juni 1915 an der Front beim L.I.R.56, 3. Komp. - Im Vor[?] 1916 wurde er zum Gefreiten befördert und befindet sich, obwohl Einjähriger, bis zum heutigen Tage im gleichen Dienstverhältnis.
Unterzeichneter hat sich diese Tatsache nie zur Unehre angerechnet und hält sich auch heute noch an seinen Leitspruch: „Ein jeder gibt den Wert sich selbst!“ Die jahrelange Verwendung als Patrouillengänger im Westen und Osten, meist als Führer, die Verwendung als Stosstrupp-Führer, die Beteiligung am „Siegfried“-Unternehmen etc. dient ihm auch als Bestätigung dafür, dass es mit seiner soldatischen Brauchbarkeit wohl nicht so schlecht bestelle sein kann, als es oberflächlich gesehen den Anschein habe.
Inzwischen hat Unterzeichneter im Rgt. erleben müssen, wie die meisten Einjährigen, oft nach langer Bürotätigkeit oder seit kürzerer Anwesenheit an der Front, befördert werden, und wie gerade in letzter Zeit ein Schub beinahe alles vorangebracht hat, was bisher hatte zurückstehen müssen. Bekannte des Unterzeichneten in Garnison und Etappe haben ihn, der sich vor 30 Monaten freiwillig zur Front meldete, fast durchweg überholt. Nach dieser Erfahrung legt Unterzeichneter sich und hiermit auch Herrn Leutnant die Frage vor: ist in seinen beim Regiment niedergelegten Personalien irgend ein Punkt, der ausschlaggebend gewirkt hat, ohne dem Unterzeichneten bekannt zu sein? Ich diesem Falle wäre ich Herrn Leutnant für freimütige Mitteilung aufrichtig dankbar, da ich danach meinen Entschluss für zukünftige Schritte fassen kann. Unterzeichneter weiss sich frei von jedem Ehrgeiz, ausser dem berechtigten, nicht aus freier Wahl oder eigenem Verschulden dauernd hintab stehen zu müssen.
Wie Herrn Leutnant erinnerlich sein wird, war ich Frühj. 1916 zu einem 6 wöch. Ausbildungs- Cursus kommandiert, aus welchem ich infolge Handgranaten-Verwundg. für 14 Tge ausschied. Ob dies letztere der Grund war, dass ich durch den Cursus nichts erreichte, entzieht sich meiner Kenntnis. Inzwischen sind aber wieder fast 2 Jahre vergangen, in denen ich die Wahrnehmung gemacht habe, dass ich in der Komp. und auch beim Batl. weit höher (in die E) geschätzt werde, als dies äusserlich in die Erscheinung getreten ist.
Unterzeichneter hätte längst den Mut gefunden, seine Versetzung zu einer anderen Truppe zu beantragen, wenn er nicht wie alle Welt damit rechnete, durch die Wiederkehr friedlicher Zeiten aus diesen zwiespältigen Empfindungen herausgehoben zu werden.
Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass aber nur eine neue Etappe des Krieges bevorsteht, wäre Unterzeichneter aufrichtig dankbar, wenn Herr Leutnant ihm für seine weitere soldatische Laufbahn den Rat erteilen würde, der Herrn Leutnant als objektivem Beurteiler geeignet erscheint.
Ad personalia bemerke ich, dass mir das Direktorium der Fa. Krupp sr. Zt. meine Stellung als Bibliothekar bescheinigt hat und dass ich als solcher bei Festlichkeiten in der Familie Krupp von Bohlen und Halbach gesellschaftsfähig war. Militärische Bekannte und Freunde (Offiziere ) hatten sich schon vor Jahr und Tag bei meinen Vorgesetzten verwenden wollen; ich hatte es damals abgelehnt, weil ich plante, durch eigenes Verdienst das gleiche erringen zu können.
Auch heute bitte ich Herrn Leutnant vorerst nur um gütigen Rat, zugleich um Verzeihung, in Darlegung der persönlichen Verhältnisse notgedrungen etwas weitschweifig geworden zu sein.
In besonderer Hochachtung
gehorsamst
Gefreiter Walter Sahlmann
L.I.R.56, 3. Komp.

 

 



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