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Brief (Transkript)

Vater an Wolfgang Panzer am 24.11.1918 (3.2012.2822)

 

FrankfurtaM, 24.11.18.



Mein lieber Sohn!

„Und er gab ihn seiner Mutter“ steht zum heutigen Sonntag auf meinem Kalender unter einem Bild von Steinhausen - .
Das war gestern Abend eine Freude als Mutter im Saalbau, wo ich sie nach einer Sitzung traf, mir Deinen lieben Brief übergab, der Dein glückliches Eintreffen in Offenburg meldete! Nach den letzten Zeitungsnachrichten über das Vorgehen u die Taten der Franzosen im Elsaß war ich nicht ohne Befürchtungen für die Truppe, die als letzte den Rhein überschreiten sollte. Nun seid Ihr im Vaterland u wie wohl mag Euchs tun, unter treuen Landsleuten zu weilen nach den abscheulichen Erlebnissen unter den franzosenkranken Wackes. Nur es ist mir eine rechte Genugtuung, daß Offenburg Euch einen so denkbar herzlichen Empfang bereitet hat. An Euch hat es sicherlich nicht gelegen, wenn die Sache diesen betrübenden Ausgang nahm, der uns im Lande über den inneren Wirren auch gar nicht in seiner ganzen Furchtbarkeit zum Bewußtsein gekommen ist. Ihr dürft mit gutem Gewissen zurückschauen u Euch des Getanen freuen. Über 4 Jahre hast Du Dein ganzes Sein für den Schutz Deines Vaterlandes eingesetzt; da hast Du wohl ein Recht nun auch mal wieder Dir selber zu leben. Und uns daheim wollte in den letzten Wochen schon mitten in aller Betrübnis über das ringsum Geschehende ein ´Glücksgesicht[?] durch rieseln, wenn wir daran dachten, daß wir Dich nun bald u auf immer wieder daheim haben sollten. Das wird uns Halt . Trost sein in all dem Schlimmen, dem Traurigen u Demütigenden, das wir in den nächsten Wochen noch werden durchleben müssen. Und da der Bürgerliche im Augenblick in Deutschland doch keine Möglichkeit hat in die Weite zu wirken, so will ich mich eine Weile ganz auf diese beglückende u von Menschen nicht so leicht zu zerstörende Insel unsres häuslichen Lebens zurück ziehen – die einzige Art auch in der man sich vor der drohenden inneren Zermürbung retten kann.
Und wie glücklich u dankbar wollen wir das Christfest feiern, wenn wir es nur gesund u – nach 4 bangen Jahren der Trennung – wieder zusammen begehen dürfen! Wir sind nun natürlich sehr begierig auf weitere Nachricht. Ich hoffe ja bestimmt, daß Ihr in kürzester Zeit entlassen werdet u Du ganz plötzlich einmal auf der Schwelle stehn wirst. Schon sind bis gestern 10,000 Kriegsteilnehmer Frkf.s wieder in die bürgerliche Bevölkerung eingereiht; Prof. Drevermann ist auch vorgestern bereits eingetroffen. Nun kann bald ein fröhliches Studieren u Arbeiten beginnen : in Viererreihe werden wir aus der Grillperzerstraße 90 in die Univ. marschieren!
Gott behüte Dich noch bis zur glücklichen Heimkehr!
In herzlicher Liebe
Dein Vater.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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