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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Schwester am 28.01.1918 (3.2012.2822)

 

28. 1. 1918.


335.

Mein liebes Hexle!
Nach einem Monat tiefsten Schweigens meinerseits hast Du berechtigten Anspruch, wieder einmal einen Gruß von mir zu bekommen. Vor allem aber möchte ich Dir, wenn auch schon etwas verspätet, nochmal meinen aller-allerherzlichsten Dank sagen für Deine lieben Weihnachtsgeschenke, die Du mir mit so viel Mühe und und Fleiß und Geschick angefertigt hast. Die geklebten Bildchen sind ganz entzückend künstlerisch und haben mir große Freude gemacht. Und ebenso reizend sind die Zupfgeigenbänder, die meine Gitarre nochmal so freudig machen. Ich lasse sie jetzt immer ohne Umhüllung an der Wand stehen, nehme sie auch 100mal am Tage zur Hand und spiele die Heckenrosen und die schöne Bilove[?] oder die Morital[?] von Salinchen[?] u. dem Schuster aus Treuenbrietzen.
Zu dem Maschinengewehrkurs kann ich die Zupfgeige leider nicht mitnehmen, deshalb nutze ich sie jetzt doppelt und dreifach aus. - Ich danke Dir auch nochmal herzlich für alle Deine lieben Briefe und Karten, die ich Dir gar nicht alle einzeln beantworten konnte. Sehr gefallen hat mir, daß Du einen Vortrag über einen so schwierigen Gegenstand gehalten hast. Ich will mich doch auch mal hinsetzen und sehen, wieviel Ausdrücke der Umgangssprache ich finden kann, die aus dem Rittertum hervorgegangen sind. Ich habe mir jetzt für den Kursus vorgenommen, einmal tüchtig und vor allem endlich die Ausdrücke aus der Soldatensprache zu sammeln für Vati. Ich glaube, der Kurs ist da eine ganz willkommene Gelegenheit. - Ihr dürft übrigens nicht glauben, daß ich auf Grund des Kurs nun M.G. Offizier würde oder werden könnte. Der Kursus ist lediglich Infanterieoffiziere. Ich freue mich sehr, daß ich nun endlich am M.G. Ausgebildet werde. Den Granatwerfer kann ich ja und das Infanteriegewehr und die Nahkampfwaffen auch. Es folgt allerdings noch der Minenwerfer, aber den lerne ich so. -
Die Russen uns gegenüber werden immer weniger. Die meisten russ. Soldaten, die auf Urlaub fahren, kommen nicht mehr zurück. Man kann ihnen das auch nicht weiter übel nehmen, wenn man bedenkt, daß sie alle in Sibirien, besonders in der Gegend von Irkutsk (Baikal-See) zu Hause sind. Dann ist die Fahnenflucht an der Tagesordnung, außerdem haben die Russen alle Leute über 35 Jahre entlassen, Du kannst Dir denken, daß da von einem stolzen Regiment bald nicht mehr viel übrig ist. -
Bitte schreib\' mir mal, was Ihr in Erdkunde durchnehmt. Nun aber Schluß! 1000 herzl. Grüße Dein Dichl. Woffi

 

 



Ansicht des Briefes

 

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