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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 01.05.1917 (3.2012.2822)

 

1. Mai 1917.


182.

Meine Lieben!
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus! Endlich, endlich! Ein herrlicher Tag ist heute wieder, alles ist Sonnenschein und Erwachen. Bei den Franzosen drüben hat der Kuckuck gerufen, wenn er sie nur auch allesamt holt! - Ich konnte Euch gestern nicht schreiben, da ich für den abkommandierten Kameraden Biermann dessen Zug übernommen habe und mich in den Gräben u. Arbeitsstellen erst ein wenig „drientalisieren[?]“ mußte. Ich habe aber gerade noch mit der Post 2 Paketchen an Euch abschicken können. Hoffentl. könnt Ihr sie brauchen, sie enthalten ein Mittelding zwischen Speck und Kasseler Rippenspeer. Maschle[?] schrieb mir nun, daß es jetzt viel Fleisch gäbe in der Heimat, da ist die Sendung vielleicht ein Blättlein mehr im Walde, aber schließlich kann der Vati mal so ein bißle was „extra\'s“ bekommen und mit gutem Gewissen verzehren, was er sonst nicht tut.
Heute früh erhielt ich Mutti\'s liebe Karte, die mir Eure glückliche Heimkehr in Arbeit und Sorgen meldete. Ich freue mich, daß Euch diese kleine Ferienzeit so wohl getan hat, das schöne Wetter jetzt wird hoffentlich dafür sorgen, daß Ihr recht viel Odenwaldkraft und -duft mit in den Sommer nehmt! Es muß ja eine Freude sein, jetzt im Garten zu schaffen und zu wirtschaften!
Ich wollte gleich, ich könnte Euch ein bißchen helfen, ich hab\' so oft großes Verlangen nach einer Beschäftigung, zu der man die Arme braucht. Die Beine werden ja genügend in Übung gehalten, ich laufe riesig viel herum den lieben langen Tag, sammle Käfer, Fliegen, Mücken, Schnecken, auch „Stech-Mücken“, beobachte Ameisen, trage zu Hause die Beobachtungen mit Zeichnungen in mein Heftle ein, bestimme stundenlang nach meinem Taschenbuch mit mehr oder weniger großem Erfolg (die verdammten Hautflügler!), lese, studiere Erdkunde, schreibe, unterhalte mich mit den Leuten und habe also ein sehr glückliches Dasein, möchte mir\'s auch garnicht anders wünschen – unter den Gegenwärtigen Verhältnissen. - Herrlich diese Tagesberichte!! Der Frühling ist noch einmal so schön, der Krieg geht doch bald zu Ende.
Mein Unterstand ist furchtbar gemütlich, könntet Ihr mich nur einmal besuchen. An meinem Fensterle stehen 2 schöne Sträuße Schlüsselblumen, Anemonen und Sumpfdotterblumen, die mir mein treuer Nix auf der Wiese gepflückt hat. - Vor dem Fenster, links u. rechts der Treppe habe ich ein kleines Gärtchen mit Schlüsselblumen und kleinen Tännchen, das sehr niedlich aussieht. - Im Unterstand über dem Schreibtisch hängen Eure hübschen Bildchen, dazwischen der Bielus[?] mit seinen dicken Backen, das Entzücken aller, die mich besuchen. Unter Spiegel u. Kalender stehen die Insektengläser und Schachteln, auf dem Tisch, der mit roter Decke (Fahne aus Weinheim!) und Wachstuch bedeckt ist, liegt mein Schreibkram und Rauchsachen (für Besucher), gleich neben dem Schreibtisch steht das Bücherbrett, oberstes Fach Handschuhe u. Fernglas, mittl. Fach Bücher, unteres Zeitungen, Schachteln u. Karten (geogr.) Mäuse u. Ratten gibt\'s im Unterstand nicht, nur Borkenkäfer u. Schlupfwespen. - Mein Befinden ist ganz ausgezeichnet, Humor größer noch als sonst. - 1000 herzliche Grüße Euch allen Euer Euchl. Wolf.
Die beiden Käfer, die ich gestern mitschickte, sollen in meinen Käferkasten. [...] soll aber den blauen mit rotem Rand erst im Museum bestimmen. (Clagsoneliae[?])

 

 



Ansicht des Briefes

 

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