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Brief (Transkript)

Irene Guicking an Ernst Guicking am 18.11.1940 (3.2002.0349)

 

Gießen, den 18.11.40



Liebster Ernst,

ich soll Dir Deine Schreibfaulheit entschuldigen. Ja, Ernst, ich seh gar keinen Grund hierzu. Du schreibst mir doch jeden Tag einen lieben Brief. Ab und zu muß ich auch mal zwei Tage, aber höchstens drei, warten. Das ist doch nicht schlimm. Mein Bib, ich bin sehr zufrieden mit Dir. Eigentlich, ich war es schon immer. Das heißt, Anfang des Krieges war es ja nicht so. Du hattest da wohl auch wenig Zeit. Meinst Du, vielleicht die Schreibfaulheit den Eltern gegenüber. Das wird es wohl sein. Wenn Du ihnen schreibst, dann erzähl ihnen nur, weshalb Du nicht schreiben kannst, daß Du Deine Stube wohnlich gemacht hast und wie Du alles fertig gebracht hast. Die Eltern interessieren sich doch dafür. Gestern, wie ich Deinen Brief las und dabei lächelte, wollte doch Mutti wissen, warum ich lächelte. Ich erzählte es dann, daß Du großes Reinemachen gehabt hättest und die Stube jetzt so schön sei, daß die anderen neidisch seien auf Dich. Sogar einen Toilettentisch hast Du. Ja, Ernst, was soll ich dazu noch sagen. Gar nichts. Hast Du denn auch Vorhänge im Zimmer? Ein Zivilist hilft Dir? Ist das ein Franzose? Du machst die anderen noch ganz und gar neidisch, wenn Du so weiter machst. Nur mit mir kannst Du es nicht machen. Ein Glück. Wo sollte das auch hinführen? Ernst, Du mußt ja ein Leben haben. Na ja, wie man so sagt, ein Leben, wie Gott in Frankreich. Du machst scheinbar gar keinen Dienst? Oder gehört das dazu? Ich meine damit, das Instandsetzen Deiner Stube. Mittags gehst Du in die Stadt, trinkst dort Kaffee und abends ins Theater. Da ist wahrhaftig alles dran. Ernst, wenn Du abends gehst, dann sei vorsichtig. Geh nicht allein. Man hört immer wieder von Überfällen auf allein gehende deutsche Soldaten. Gell, Bib, denk daran. Was wurde denn gespielt? War es ein deutsches Ensemble? Und das Buch ist auch eingetroffen? Da freu ich mich. Ich glaubte schon wegen dem Übergewicht sei es vielleicht abhanden gekommen. Du vergleichst es mit den "Barrings". Ja, Ernst, ich glaube da irrst Du Dich. Ich habe auch mal reingeguckt und da ist doch nur eine Weltreiseschilderung. Ich bin mal gespannt, ob es Dir gefällt. Interessant ist es auf jeden Fall. Ich hab Dir doch geschrieben, daß ich vorläufig auf den Pelz zum Umändern verzichten will, weil Du doch zwei Mäntel für mich hast. Und dann wollte ich auch nicht Kaninchenfell. Wenn ich ja wüßte, wie das aussehen würde. Einen Muff hätte ich schon ganz gern. Du kannst mir nicht mal ein Muster schicken? Ja, Ernst, und nun schlaf ich noch ein bißchen. Ich mußte heute morgen um 5.00 Uhr aufstehen. Ich bin mit dem ersten Zug gefahren. Leb wohl, mein Bib, ich halte Dich lieb und ich geb Dir viele herzinnige Küsse.

Deine Irene

 

 



Ansicht des Briefes

 

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