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Brief (Transkript)

Ernst Guicking an Irene Guicking am 19.02.1945 (3.2002.0349)

 

Im Schwarzwald, den 19.2.45



Herzliebste Frau,

ich bin wieder mal total am Ende. Mein Schatz, Du bist ja ein Genie. Ich habe es ja immer schon gesagt, aber man glaubte mir ja nicht. Die Zeichnung, sozusagen der Grundriß ist ja feudal, einfach klotzig. Ja, ich habe mir das Ding schon nun zwei Tage lang betrachtet. Jetzt fragt es sich, hast Du ein Duplikat zu Hause? Ich möchte da noch einige Fragen stellen. Sag mal, hast Du dies aufgrund irgendwelcher Anhaltspunkte oder ganz nach Deinen Gedanken auf's Papier gebracht? Da fehlt aber auch nicht das Geringste dran. Über das Wohnzimmer bin ich mir aufgrund Deiner Zeichnung nicht ganz im klaren. Es müßte zwischen Eßzimmer und Küche noch eine Tür sein, bzw. die Türen der beiden Zimmer müßten näher zusammen liegen. Ebenso würde ich es für richtiger halten, die Treppen der Veranda zum Garten in die Mitte zu legen. Der Gedanke ist so wunderbar, Irene, ich kann mich in meinem ganzen Leben nur freuen über Dich. Die Liebe, mir der Du die Zeichnung gemacht hast, und diese Briefe vom 17. und 19., und erst vorgestern sind sie angekommen. Sie waren sehr lange unterwegs. Ich kann mir denken, daß Du lange auf die Antwort zu Deiner Zeichnung gewartet hast. Aber nun die Hauptsache: Sie sind ja da!
Du hast aber wieder zwei Tage im Bett gelegen? Ja nanu, was war denn so schlimm geworden? Und jetzt meine Berufsfrage: Meine Abfindung nach meiner Dienstzeit, es kommt ganz darauf an, was ich unternehmen will. Ich komme später noch einmal darauf. Als Beamter würde ich mich nie eignen, schon deshalb nicht, weil ich selbst meinen eigenen Grund und Boden haben möchte. Ich habe mir darüber in letzter Zeit keine Gedanken mehr gemacht, alleine schon wegen der momentanen Lage. Trotzdem aber können wir darüber reden. Dein Vorschlag betreffs Blumengärtnerei hat mir ja schon von Anfang an im Sinn gelegen. Nicht weil ich, meiner Ansicht nach, Dir allein einen Gefallen tun wollte, sondern weil ich darin einen Beruf sah, der immer etwas einbringt und das Hantieren in der freien Natur, Du weißt ja, das liegt mir. Ich meine, daß dieses Geschäft auch in den schlimmsten Zeiten etwas abwirft. Aber andererseits habe ich auch noch etwas weiter gedacht: Sollten wir den Osten wieder bekommen, bleibe ich nach wie vor bei dem Gedanken, einen Hof mit nicht weniger als 500 Morgen aufzubauen. Das dürfte mit diesem Flächenmaß dann immer noch reichlich klein sein. Auch hierzu würde Deine Zeichnung dann wunderbar passen. Diesen Gedanken liegt aber der Sieg zugrunde und bis dahin ist der Weg noch sehr weit. Deshalb müssen wir heute noch abwarten. Es kommt nun natürlich auf Dich an, denn das ist ja die Vorbedingung. Wegen der Gärtnerei würde ich nicht gerade in Lauterbach bleiben wollen, dafür ist mir die Stadt zu klein. Aber diesbezüglich erwarte ich eine Antwort von Dir. Du weißt, die Größe der Stadt macht auch die Preise. Stell Dir mal die Preisunterschiede zwischen der Gärtnerei Baier in Lauterbach und der Weber'schen in Gießen vor. Wir wollen doch davon leben können und unsere Kinder auch etwas lernen lassen. Soviel ich mich noch entsinnen kann, bekomme ich, wenn ich mich abfinden lasse und im Reich bleibe, 9.000 oder 12.000 Mark. Ich müßte aber dann auch eine Ausbildung haben und die geht dann wahrscheinlich davon ab, von diesem Geld. Genaues wissen wir heute auch darüber noch gar nicht.
Ja mein Liebes, die Gedanken sind zu schön, wenn uns der Krieg doch nur endlich mal ein anderes Gesicht zeigen würde. Es dauert auch nach dem Sieg noch eine geraume Zeit, bis alles aufgebaut ist. Denk mal an Gießen, die ganze Stadt in Trümmern. Ja mein Schatz, da steht doch nichts mehr. In zwei Jahren bin ich doch fertig. Glaubst Du vielleicht, man würde mich schon laufen lassen? Nee, wen Papa Staat erst mal hat, den hält er auch fest und obendrein ist es die Aufbauzeit, die wird uns noch viel zu schaffen machen. Deine Gedanken betreffs der Gärtnerei sind ja viel zu schön, um wahr zu sein. Mit beiden Beinen würde ich hineinspringen, aber noch sind wir gebunden. Tag und Nacht würde ich opfern, um etwas zusammenzubringen, nur um Dir Freude und Dich glücklich zu machen. Noch soll es nicht sein, Irene. Die Zeit ist noch nicht reif. Wir müssen noch warten.
Gestern kam Dein Brief vom 9.2. Du schreibst so lieb von Bernhild. Sie steckt doch scheinbar ganz in meinen Schuhen. Na, dann hast Du ja Ersatz und wirst meine Kussichens nicht so sehr vermissen. Brauchst Dich dann nicht mehr zu beschweren. Heute kamen Deine Zeilen vom 10.2. Ja, der Brückenkopf ist in vollster Ordnung und kluger Voraussicht geräumt worden. Die da drüben schreien einen Sieg mehr in die Welt, bei uns dagegen war alles schon lange vorher geplant. Er wäre ohne weiteres noch länger zu halten gewesen, aber der Befehl war eben da. Wir sind über die Brücke bei Neuenburg, so wie alle anderen auch, in vollster Ordnung.
So, mein Schatz, und nun will ich schlafen gehen. Ich wohne hier bei einem Doktor. Ich habe ein Zimmer für mich. Hier würde ich es auch noch lange aushalten. Ich nehme Deinen Kopf in meine Hände und ich küsse Dir das ganze Gesicht und wünsche mir, daß Du bald wieder gesund wirst und ich grüße Dich in seliger und ganz tief inniger Liebe

Dein Ernst

 

 



Ansicht des Briefes

 

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