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Brief (Transkript)

Ernst Guicking an Irene Guicking am 11.11.1939 (3.2002.0349)

 

Berglangenbach, den 11.11.39



Mein Liebling,

heute komme ich endlich wieder dazu, Dir einige Zeilen zu schreiben. Ein weiter Marschweg liegt hinter uns. Aber das Ziel haben wir noch nicht erreicht. Auch wissen wir nicht, wohin man uns noch führt. Heute ist ein Transportsatz eingetroffen. Alles junge Leute. Die haben noch nichts gehört und gesehen. Na ja, sie erleben es auch noch. Was sagst Du nun zu meinem Urlaub? Bald wäre es wahr geworden. Der Marsch in die Etappe hat natürlich alles zunichte gemacht. Na ja, später haben wir auch noch Zeit. Den Totensonntag möchte ich gerne noch vorübergehen lassen. Deinen Eltern habe ich geschrieben. Wie können sie nur auf solche Gedanken kommen? Es ist doch ganz klar, daß sie alle an unserer Verlobung teilnehmen. Ich bin direkt geschlagen über solch eine Frage. Als ich das letzte mal anrief, war Frau Weber am Apparat. Du warst bei der Schneiderin. Läßt Du Dir ein neues Kleid machen? Eventuell das Verlobungskleid? Da bin ich gespannt. Und über die Tante bin ich sprachlos. Da hat sie im Sommer schon auf so etwas gewartet. Darauf war ich nicht gefaßt.
Jetzt pass mal auf, wenn wir jetzt noch weiter nach rückwärts kommen, werde ich versuchen ein Paar Ringe zu bekommen. Laß sie kosten, was sie wollen. Wenn der einige etwas unpassend ausfällt, kann er ja abgeändert werden. Ist der Vorschlag nicht richtig? Von wegen Stahlring, das kommt nicht in die Tüte. Wir befinden uns augenblicklich im Rheinland, nicht mehr an der Saar. So mein Kind, da kommen gerade die Briefe. Auch einer für mich. Irene, Du hast so Angst vor den vielen Päckchen? Jetzt pass auf, jeden Tag wurde von uns eine Kolonne bestimmt, die mit einigen Wagen nach den französischen Dörfern ging um Geschäfte ausräumen. Natürlich durften sich die Teilnehmer von dieser Aktion das Beste von dem Guten aussuchen. Ein Wert von vielen 1000 Mark wurde so dem Volke zugute gemacht. Es gab dann eine allgemeine Verteilung. Und der ganze Kram durfte nun weggeschickt werden. Das ist allen gestattet. Also mein Kind, ein Räubern gibt es hier nicht. Das versuche allen klar zu machen. Du darfst nicht glauben, daß wir in den Dörfern herumgefallen sind, wie die Unersättlichen, nein, alles ist vorschriftsmäßig gelaufen. Laß die Briefträger nur maulen, das kann mich nicht irre machen. Gib mir doch im nächsten Brief einmal an, was Du bis jetzt alles in größeren Kisten und Koffern erhalten hast. Unterwegs ist ein Koffer und zwei Kisten. Ich glaube, den Koffer und die erste Kiste mußt Du schon haben. Etwas kommt mit der Bahn. Einiges will Herr Müller selbst bringen und auch das Fahrrad. Schreibe doch bitte ob es da ist. Andernfalls wann es kommt, dann laß es mich wissen. Du läßt aber alles schön geschlossen. Ich möchte nämlich alles selbst öffnen. Ich schicke Dir morgen eine Kiste per Frachtgut. Du weißt, wenn man heiraten will, kann man alles brauchen.
Die "Spicherer Höhe" ist französisch. Ja mein Kind, wenn der Krieg noch länger dauert als ein halbes Jahr, dann, ja dann kann ich Dir ein herrliches "langes" Geschenk machen. Ist der Krieg schon vor Weihnachten zu Ende, dann fallen auch die Kriegsbestimmungen weg. Du kannst mir schon als Gegengeschenk einen schönen Degen kaufen. Größe meiner Person 1,73. Ist das nun ein Witz. Ist Dir das alles klar? Bist Du nun immer noch neugierig? Und für den nötigen Kümmel kannst Du schon sorgen. Und jetzt seid Ihr schon am Pferdefleisch? Ei, ei, ei.
Für Deine Veilchen danke ich Dir ganz herzlich. Auch für die Zigaretten. Und von den Päckchen ist nichts abhanden gekommen. Ich habe die Stücke selbst herausgenommen. Unser Kriegssold fällt bis auf 12.00 Mark und die Frontzulage fällt ganz weg. Über den zweiten Fall möchte ich am liebsten mit Dir sprechen. Schriftlich würde das zu viel. Wenn wir den zweiten Fall gleich anschließen würden, bekäme ich ab Weihnachten ungefähr 200 Mark ausgezahlt. Wäre das nicht großartig. Wir müssen uns darüber einmal unterhalten. So mein lieb Frauchen, für heute gebe ich Dir ganz liebe Küsse und viel herzlich Grüße. Immer
Dein Dich liebender Ernst

 

 



Ansicht des Briefes

 

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