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Brief (Transkript)

Ernst Guicking an Irene Guicking am 12.-13.08.1944 (3.2002.0349)

 

Im Süden Frankreichs, den 12. und 13.8.44



Mein gutes Frauchen!

Ich bin eben von einem abendlichen Spaziergang zurückgekommen. Drei Stunden sind wir zu zweit im Busch herumgestromert und wir haben den wilden Kaninchen zugeschaut. Ich hab mir die Dingerchen erst mal betrachtet. Sie sind ja arg klein, aber, weißt Du, zum Frühstück würden sie doch schon reichen. Morgen früh um 6.00 Uhr werde ich wieder losgehen. Ich will doch mal sehen, ob ich so ein paar Kerlchen nicht mitbringen kann. Ich lege Dir ein Bild bei. Ich liege da an einem Hang und beobachte den Kampf unserer Infanterie mit den Maquis. 700 Meter sind es von diesem Platz noch bis dahin. Dort hab ich auch den Inhalt der Münchner Kiste gefunden. Von den Aufnahmen selbst wußte ich nichts, bis gestern.
Liebste Frau, in Deinem Brief vom 11.7.44, da schreibst Du so verschiedenes von unserem innigen Verhältnis. Ja, Irene, Du hast schon recht. Es gibt Menschen, die wissen gar nicht, warum sie verheiratet sind. Man könnte manchmal annehmen, weißt Du, ich hab ja auch Gelegenheit genug hier, daß man annehmen könnte, die wissen gar nichts von Gefühlen. Die machen so einen gleichgültigen Eindruck und, ich kann mir nicht helfen, ich muß daraus schließen, daß sie auch in ihrem Innern sehr leer sind, nicht viel Gefühl haben. Ist es das Geld, oder auch der Wohlstand, was ist daran schuld? Von einer wirklichen Herzensliebe kann ja dann niemals gesprochen werden. Es kann ja sein, daß diese beiden Menschen später noch einmal zusammenfinden. Aber, der Grund der Heirat ist doch meiner Ansicht nach, doch weit verfehlt. Wie weit das bei uns beiden zutrifft, liebste Frau, das wissen wir zu gut. Ich danke dem Herrgott, daß ich zu Anfang unserer Bekanntschaft nicht locker gelassen habe, obwohl ich verschiedentlich wirklich nicht mehr weiter wußte. Oft war ich am Ende und wußte nicht mehr, was ich tun sollte. Beinah hätte es mich ins Äußerste getrieben. Auf jeden Fall bewundere ich heute noch meine Sturheit, die ich damals zeigte. Ich sagte mir eben, wenn Du nicht willst, na dann eben erst recht. Und Deine Hartnäckigkeit war das Feuer für mich und ich werde Dir dafür immer dankbar sein. Dafür habe ich Dich heute mit Deinem ganzem Herzen und mit Deiner ganzen Seele, all Dein Tun und Dein Schaffen ist nur für mich und unsere Kinder. Dein Denken gehört mir und der Zukunft unserer Familie. Wie tief muß doch die Liebe sein, die Du, liebe Frau, mir immer entgegengebracht hast bis auf den heutigen Tag. Denn aus jedem Wort und aus jeder Zeile kann ich doch lesen, wie lieb Du mich hast. Ja, das alles kann man als Wortschmeichelei oder als Schmus auslegen. Das sind aber dann solche, die das Leben auf dieser Basis verwirkt haben. Auch hat der Krieg viel Schuld daran. Die Menschheit wird leichtsinnig. Betrachten wir mal eine Frau, die auch im Krieg geheiratet hat und sich freut, endlich so weit zu sein. Sie hat nun den Mann, den sie suchte und hat damit auch das, was sie braucht. Plötzlich muß er fort und kommt nur noch selten nach Haus. Die Frau ist eben jung und sie hat Feuer im Leib. Du weißt, was ich sagen will. Sie hat erfahren, wie gut und wie schön es ist und der Mann kommt immer seltener. Und was ist, wenn sich die Frau nicht zähmen kann. Sie sucht sich heimlich das, was sie braucht und das sind heute die häufigsten Gründe, weshalb Ehen auseinander gehen. Was braucht man da noch zu schreiben von Liebe und Zusammengehörigkeit. Die Ehrfurcht vor sich selbst, vor der Frau ist doch dann zum Teufel. Und was hat man dann noch vom Leben. Ja, mein Liebes, es gibt Menschen, die das, was uns so heilig ist, in den Schmutz treten. Und das Leben der liebenden Herzen gar nicht kennen. Werden wir beneidet, mein Schatz? Aber die anderen, die sind mitleidbedürftig. Kaltschnäuzigkeit in der Liebe gibt es selten, mein Schatz. Und wenn der Mann solche Briefe schreibt, dann hat er nicht nur die eine Frau, dann steckt auch eine andere dahinter, oder er hat sie aus irgendeinem Grunde zur Frau nehmen müssen. Sei denn, wie es ist. Wir sind in diesen Dingen noch fremd und werden es auch für unser Leben lang bleiben. Sollen sie sich selbst Gedanken machen, wie sie dem abhelfen können. Ich suche auf jeden Fall Mittel und Wege, um unsere Liebe noch fester und noch inniger zu leben, als sie es schon ist. Und das ist wiederum auch nicht leicht. Ich lebe allein nur noch für Dich, Irene, und für die Kleinen und ich bin froh und glücklich, daß ich das kann und daß ich das darf. Und möge der Krieg dauern, so lang er will. Unsere Liebe bindet er nur noch fester. Je seltener ich in Urlaub komme, desto mehr werde ich Dich und die Kinder, die Heimat lieben und schätzen lernen. Das Fundament wird nur noch härter. Und Du, liebste Frau, Du wirst unsere Liebe in Deinem Schatzkästlein aufbewahren. Du wirst sie bewahren und Du wirst sie pflegen und allen anderen fremden Einflüssen den Zutritt verwehren. Denk an unsere Herzen, liebste Irene. Sie sind ein Herz und eine Seele. Sie schlagen zusammen denselben Takt. Sie leben zusammen, auch wenn sie getrennt sind. Sie schauen sich an zu jeder Stunde. Sie fragen Dich und mich und jetzt, Irene, kennst Du meine Frage, die ich jetzt sehr gern stellen möchte? Denk doch mal an unsere Kinder. Wenn Du sie anschaust, dann weißt Du es. Unsere Herzen leben von der Treue und wo die nicht ist, da ist auch kein Leben und auch keine Glücklichkeit, keine Liebe. Wir beide wissen, was wir seit unserer Hochzeit gefunden haben. Die Tore unserer Ehe haben sich weit geöffnet. Wir haben aber auch viel gefunden. Möge Dein Herz und Deine Seele auch weiterhin so rein bleiben und möge Dein Quell der Liebe niemals versiegen. Es ist doch meine Nahrung, gehört zu meinem täglichem Brot. Nimm all meinen Segen, liebste Frau, schlafe ruhig und selig weiter. Ich küsse Dein Gesicht und ich lege meinen Kopf an Deine Brust und schlafe mit Dir in den Sonntag.

Dein so glücklicher Ernst

 

 



Ansicht des Briefes

 

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