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Brief (Transkript)

Irene Guicking an Ernst Guicking am 19.10.1939 (3.2002.0349)

 

Gießen, den 19.10.39



Mein Ernst,

Dein Päckchen vom 14. und den Brief vom 15. habe ich erhalten. Ich danke Dir. Kann man ja sehr gut gebrauchen. Soll das eigentlich alles für später sein? Wenn Du wieder schickst, dann achte doch bitte auf das Gewicht. Auch darüber hat sich der Briefträger beschwert. Ich habe es wieder mit der Angst zu tun gekriegt. Es roch auch so verräterisch nach dem Inhalt. Ich mußte 60 Pfennig Nachgebühr bezahlen. Das entspricht ja längst nicht dem Wert. Sonst habe ich keine materiellen Wünsche.
Mein Schirm hat sich auch wieder gefunden. Und ich bin auch sehr froh darum. Die Brauerei scheint auch wieder in vorderster Front zu liegen. Mit was haben die denn geschossen? Ist schon viel zerstört? Jetzt habt ihr es ja schön. In einem Neubau wohnt ihr und nicht zu glauben, weiße Betten. Ich kann mir denken, wie Du Dir vorkommst. Also liegt ihr in Reserve, nicht mehr in Ruh. Seit Montag gehen doch die Franzosen zurück. Sie wollen sich wohl noch erst mal bemerkbar machen. Habt Ihr schon Gefangene gemacht? Heute steht in der Zeitung, daß zahlreiche Gefangene gemacht wurden. Auch spricht man, daß die 116er Urlaub bekommen. Ob ihr auch einmal nach Hause kommen dürft? Wenn ihr aber in vorderster Stellung liegt, wird daran nicht zu denken sein. Ich verstehe überhaupt nicht, daß ein Reserveregiment, und das ist doch euer Regiment, direkt an der Front liegt. Warum liegen nicht dort die Aktiven. Du glaubst, der Winter würde noch draufgehen? Du bist pessimistischer als ich. Weihnachten sind wir bestimmt wieder zusammen und der Krieg hat ein Ende.
Ich habe doch aufgeatmet, wie ich las, daß es in Ordnung war, mit dem Anruf. Denn ich weiß in dieser Beziehung unternimmst Du alles und scheust nicht zurück, nur um mich zu erfreuen. Ich danke Dir noch einmal. Ich werde Dir das nie vergessen. Deine Kameraden rufen die auch an? Und die Damen, sind die sehr nett? Geht das nun kostenlos, oder was verlangen sie dafür? Interessant, äußerst interessant. Ich möchte Dich mal dazwischen sehen. Ist das in Saarbrücken direkt? Sind auch die Altenburschlaer bei Dir im Neubau? Du siehst, ich will wieder mal viel wissen, gell? Du hast recht, je länger der Krieg dauert, um so höher steigen Deine Finanzen. Ich wünschte, mir ginge es auch so. Rechnest Du wirklich mit einer Beförderung? Der Unteroffizier Krumm von der 13. Kompanie ist Hauptfeldwebel geworden an der Front. Ist aber schon länger als vier Jahre dabei. Kennst Du ihn? Er hat sich doch mal geäußert, wenn er eine Tochter hätte, die dürfte keinen Unteroffizier haben. Hiermit stellt er sich in kein gutes Licht.
Die Zigaretten, die ich Dir am Sonntag mit den Taschentüchern schickte, habe ich meinem Vater ehrlich mitgenommen. Deshalb die kleine Packung. Habt Ihr denn keine Angst ins Minenfeld zu gehen, wegen einem Reh oder Fasan? So leichtsinnig zu sein. Was soll das denn heißen. Adju, ich nehme an Adjutant. Ist das der Küchenchef? Ich muß mich nur noch wundern, wegen der Post, die von Dir kommt. Ich will nicht so von Dir denken. Es war ja auch nicht so gemeint. Ich kenne Dich doch und weiß genau, wie Du zu mir bist. Emmi packt eben auch zwei Päckchen an einen Unteroffizier. In jedem liegt ein Apfel. Lieb sieht das aus. Er isst die Äpfel so gerne. Möchtest Du auch einmal so etwas? Oder gibt das die Mutter Natur in Hülle und Fülle? Das müßte ja eigentlich so sein. Ich gehe in einer halben Stunde in die Gärtnerei und packe mal wieder Radieschen ein. Die Soldaten haben Gießen verlassen. Rundum aber beschützt uns die Flak. Aber bald wird es wieder lebendig werden. Denn das Hauptkommando kommt. Man rechnet mit 10.000 Mann insgesamt. Lieber wäre uns selbstverständlich der Frieden. Glaubst Du nicht, daß Du mit nach Afrika mußt? Denn jetzt geht es doch ums Ganze. Ob ich dann schon mitkommen darf? Ich würde mich sehr freuen. Aber das wird vielleicht so schnell nicht gehen. Ich hatte mal einen Freund, der, wie er hörte, daß ich Gärtnerin bin, hat er aufgehorcht und hat gemeint, dann wärst Du eigentlich ein richtiges Mädel für Afrika, denn ich will in ein paar Monaten nach dort gehen, denn ich habe dort eine kleine Farm, die ich ausbauen möchte.
So und nun tausendmal grüße ich Dich. Jeder Gruß den ich Dir sende ist ein Kuß meines Herzens. So sende ich Dir unzählige Grüße und Du weißt ja, was sie Dir bedeuten sollen. Immer und überall
Deine Irene

 

 



Ansicht des Briefes

 

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