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Brief (Transkript)

Ernst Guicking an Irene Guicking am 09.03.1945 (3.2002.0349)

 

9.3.45

Mein Goldschatz,

jetzt habe ich Dich mal einige Tage warten lassen. Aber mach Dir keine Gedanken, jetzt habe ich wieder Zeit. Also kann ich Dir jetzt in Ruhe schreiben. Du wirst Dir wohl Gedanken gemacht haben, wegen der letzten acht Tage. Meine letzte Karte, die kam wohl von Karlsruhe. Und seitdem hatte ich keine Ruhe mehr. Jetzt bin ich jenseits des Rheins. Ich schrieb ja schon, in der Gegend von Marx. In den nächsten acht Tagen werde ich ihm noch etwas näher kommen. Ich habe hier in einem Dörfchen halt gemacht. Meine Leute sind schon weiter. Ich muß noch auf Verschiedenes warten. Es wird noch einige Tage dauern. Hier, bei dieser Mutti muß ich mal wieder essen. Ich sage Dir, hier läßt es sich leben. Onkel Josef könnte sich mal baden hier, ich meine im Wein.
Mein Bobelchen, habe ich Dir schon Deine Post vom 15.,17.,21., und 2. quittiert? Gestern gab es auch Feldpost hier im Haus und heute, ich warte auf heute Abend. Vielleicht ist ja mal etwas dabei, vielleicht hat man mich ja mal hier gefunden.
Mein Schatz, ich will Dir mal sagen was wir heute zum Mittag hatten: Feldsalat, das war schon mal etwas ganz besonderes, Kartoffeln und dann noch Sauerkraut und ein mords Fetzen Schweinefleisch. Ach Bobelchen, das nächste mal nehme ich Dich doch mit in den Krieg, da kannst Du auch so gut leben. Ja mein Liebes, auf das Fahrrad brauchst Du nicht mehr zu warten. Das hat die "Katz" gefressen. Dort wo es aufgegeben wurde, ist am Abend desselben Tages alles zerbombt worden. Ja, und die Forsträtin hat sich auch nun die Bude vollgemacht? Na ja, Gott sei Dank. Was will sie denn auch mit der großen Wohnung? Sie allein. Wo ist denn hier die Gerechtigkeit? Na ja mein Bobelchen, Du möchtest gerne meinen Siegelring. Ja, aber unter einer Bedingung, ich gebe Dir denselben, wenn Du mir mitteilst, daß Du einen Ehering, und zwar passend mit Gravierung für mich hast. Sonst stehe ich nämlich ganz ohne da, und das möchte ich nicht. Bist Du damit einverstanden? Ja, da oben im Schwarzwald Muichen, da stehen nur Schwarzwaldhäuschen. Ich habe sie mir mal ganz genau von innen und von außen betrachtet.
Und jetzt willst Du mal etwas wissen, wenn es auch nicht wahr ist. Aber mein Mädelchen, wie könnte ich denn das? Viel weiß ich auch nicht. Und das was ich weiß, das kann ich Dir nicht schreiben. Ich kann Dir auch diesmal wieder nur sagen, wenn jemand glaubt, wir wären am Ende, dann wird man sich noch gewaltig täuschen. Diese Leute werden dann erfahren müssen, daß sie nicht mehr zu uns gehören, sondern daß diejenigen ihre Plätze einnehmen, die vor kurzer Zeit noch gegen uns standen. Und sie werden eines Tages feststellen müssen, daß sie überrascht worden sind. Glaube nicht, daß ich Euch unbegründet Mut einträufeln möchte. Ich hoffe, wir werden es alle miterleben können. Ihr müßt nur die Lebensmittel mehr einteilen, denn das wird in diesen Monaten der Schwerpunkt sein. Wenn wir diesen Sommer noch überstehen, dann haben wir auch gewonnen. Ebenso möchte ich noch einmal auf unsere Möbel aufmerksam machen. Frau Bleek ist nach Hamburg zurück? Also mein Schatz, ich bitte Dich noch einmal, bring das Zeug vom Bahnhof weg. Auch die Kisten, die müssen verschwinden. Ich habe das jetzt schon so oft erwähnt, und gehe doch mal an Papa, er soll sich doch einmal kümmern. Vielleicht findet er in der Gegend von Eisenbach einen Raum. Irene, ich bitte Dich darum, schafft alles Überflüssige aus dem Haus. Willst Du mir umgehend schreiben, was Ihr unternommen habt? Ich warte dringend auf diese Antwort. Schimpfe nicht, wenn Ihr mal aus diesem Bunker kommt, und es ist irgend etwas geschehen. Irene, Du bist noch nie leichtsinnig gewesen. Und ich verlange, daß Du auch etwas unternimmst, und zwar sofort. Ich habe jetzt lange genug gewartet. Und nun mein Herzl, will ich für heute aufhören. Morgen schreibe ich wieder. Ich nehme Dich in meine Arme und küsse Dein Gesicht und schaue Dir in Deine treuen Augen und bleibe in inniger Liebe immer
Dein Ernst


Mein Schatz, ich habe Zeit, ich will Dir noch einmal schnell schreiben. Ich möchte Dir ja immer und immer wieder sagen, mach Dir um mich keine Gedanken. Ich habe Dir das oft genug gesagt und auch vieles erklärt. Aber kannst Du mich verstehen, wenn ich mich um Euch sorge. Ihr wohnt so dicht am Bahnhof. Und denen, diesen Gangstern, ist ja der kleinste Bahnhof nicht mehr heilig genug. Ich grüße Dich Irene, auch wenn Berlin fällt, brauchen wir niemals ein schreckliches Ende zu erwarten. Das hat gar nichts zu sagen. Nach dem Siegestaumel der anderen wird eines Tages der Sieg, der heute schier unglaublich geworden ist, von uns ins Land getragen werden. Es gilt jetzt erst mal die Flut aufzuhalten. Und das andere ist bereits im Rollen. Es wird weiter rollen, der Sommer und der Herbst wird uns die Ernte bringen. Mein Schatz, Kopf hoch, jeden Pfennig gespart und glaube mir, ich tue es ja auch. So wie ich an Dich glaube, so glaube ich an unseren Sieg, an unsere Zukunft und an unser Glück. So wie die anderen uns jetzt zu überfluten gedenken, da werden sie eines Tages feststellen müssen, daß sie überrannt worden sind. Glaubst Du Irene, ich würde so zuversichtlich sein, wenn ich nicht wüßte, nicht ich allein, daß in unseren höchsten Stellen noch eine Waffe ruht, die im entscheidenden Moment entgegengesetzt wird. Es scheint etwas ganz Neues zu sein. Vielleicht eine Wunderwaffe. Auf jeden Fall wäre es ein Wunder, wenn sie noch zur rechten Zeit eingesetzt würde. Und wir wären aus allem Schlamassel heraus. Das ist meine und das ist unsere Hoffnung. Mein Schatz, machs gut, ich küsse Dich und ich umarme Dich und ich behalte Dich immer lieb.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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