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Brief (Transkript)

Irene Guicking an Ernst Guicking am 26.07.1940 (3.2002.0349)

 

Gießen, den 26.7.40



Lieber Ernst,

ich bin wieder mal in der Gärtnerei, aber nur heute. Ja Ernst, über Deine Worte habe ich mich sehr gefreut. Mir ist, als wäre heute ein Feiertag, nur die Sonne fehlt. Soll das nun der schönste und der liebste Brief sein? Du hast schön geschrieben, aber weißt Du, der andere Brief mit dem einen Satz ist wirklich ebenso lieb und nett: "Denn jeder Tag soll ein Feiertag sein", wenn Du wieder zu Hause bist. Ja Ernst, so soll es sein. Ich möchte mal bei Dir sein, nicht lang, kannst mich ja nicht brauchen. Aber "wenn ich ein Vöglein wäre", ich glaube, dann würden wir gar keine Sehnsucht kennen und das wäre doch sehr schade. Ich warte von jetzt ab auf Dich. Du wirst vielleicht schon bald kommen. Ich muß aufpassen, damit die Zeit nicht so lang wird. Wer weiß, wie das gemeint ist, dieses kleine Wörtchen: "Bald". Du bist immer noch in demselben Ort und wohnst in demselben "Schloß"? Es muß schön sein darin. Jetzt möchte ich wieder ein Mäuschen sein. Ein anderes Mal wieder ein Ameise. Jedesmal käme ich dann in einer anderen Funktion. Würde Dir das Spaß machen? Was ich für Wünsche habe. Jetzt schüttelst Du mal den Kopf. Den Wunsch, der mir jetzt am meisten auf dem Herzen liegt ist, Du mögest bald bei mir sein und bist Du da, dann haben wir vergessen, daß wir einmal nur einen Wunsch hatten: Wir wollten uns wiedersehen. Ja Du siehst, der Mensch ist nie wunschlos, aber trotzdem, ich glaube ich habe es begriffen, was es heißt, warten und wiedersehen. Ich kann das auch nie vergessen, daß es Tage gab, bange Tage waren es für mich, wo ich nur noch einen Wunsch hatte. Alles andere war so unwichtig, so bedeutungslos. Wenn ich heute daran denke, werde ich nie mehr unzufrieden sein. Ja Ernst, zu Deiner Erklärung weiß ich nichts zu sagen. Du Ernst, schweigst auch. Wir unterhalten uns darüber, wenn Du hier bist. Es ist schon weit genug, wenn sich das Oberkommando der Wehrmacht darum kümmert. Ja, was es nicht alles gibt. Mutti braucht nicht mehr lange zu warten. Ja Bib, um Himmels Willen, was hat denn Mutti damit zu tun. Ich bin wieder einmal dumm. Siehst Du, Mutti ist bestimmt noch nicht dafür. Du weißt doch was sie Weihnachten gesagt hat. Na ja, komm erst einmal heim. Einen Film wirst Du mir schicken, das ist ja fein, aber hoffentlich einen, wo Du auch darauf zu finden bist. Das Einzige, was mir auf dem Bildchen bekannt war, das ist die Kirche und Dein Bursche habe ich auch erkannt. Gell Bib Du schickst den richtigen Film. Frl. Scholz werde ich fragen. Interessiert mich auch, was es dort Neues gibt. Ja, das Schlafzimmer ist auch von Frankfurt da. Ich bekomme Bescheid, wenn es aufgestellt ist. Jetzt warte ich noch auf das Wohnzimmer. Ich denke Heute abend kann ich noch einmal schreiben und Dir nun einen ganz herzinnigen Kuß von

Deiner Irene

 

 



Ansicht des Briefes

 

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