Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 23.04.1943 (3.2002.0985)

 

den 23. April 1943; Karfreitag



Meine geliebte Ursula!

Über den gestrigen kurzen Brief wirst Du sicher sehr enttäuscht gewesen sein. Deshalb will ich sofort noch einige Zeilen an Dich richten. Heute ist Karfreitag, ein schöner Frühlingstag, der einem das Herz ein bißchen schwer macht, wenn man die Gedanken in die Heimat wandern läßt. Heute bin ich also Pastor. Gestern hatte ich mich auf den Gottesdienst vorzubereiten; heute früh ging es zeitig heraus. Um 1/2 8 Uhr fuhren wir ab. Es war sehr mildes, fast windstilles Wetter. Die Aprikosen blühen bereits, und überall sieht man das Gras sprießen. Nach einstündiger Fahrt landeten wir in G. Dort wartete unser eine kleine Überraschung. Die Kirchgänger waren gerade erst aus dem Gelände zurückgekehrt. Da hatten einige Überschlaue Gespenster gesehen und den gesamten Nachschub alarmiert. Die Folge war, daß der Gottesdienst verlegt werden mußte. Gesangbücher hatte ich leider auch nicht, so daß ich mir einige katholische leihen mußte, in denen "O Haupt voll Blut ...." in etwas anderer Fassung steht. In dem Erholungsheim fand ich zunächst etwa 12–15 Mann vor. Pfarrer Eickhoff lieh mir sein Kreuz und 2 Leuchter, damit war es ganz festlich. Die Soldaten, ältere Knaben vom Nachschub, schienen mir recht aufmerksam zu sein. Inzwischen hatte Pfarrer Eickhoff zahlreiche Tiroler und Elsässer aufgestöbert, so daß er nachher 150 Mann hatte. Ich fuhr dann ins sog. "Oberdorf", wo für die Alarmierten der Gottesdienst nachgeholt wurde. Er fand im Freien statt. Es mögen etwa 75 Mann gewesen sein. Einen Konnex gewinnt man ja unmöglich. Es ist überhaupt ein scheußliches Anpredigen. Da haben die Katholiken es besser. Der Küster ist Vorbeter, es geht dann regelrecht im Wechselgespräch. Pfarrer Eickhoff sagte, mancher junge Landser sei so ergriffen gewesen, daß ihm die Tränen kamen. Unser Gottesdienst ist ja leider so, daß die Gemeinde viel zu passiv ist. Am Sonntag werde ich das Vaterunser gemeinsam beten lassen. Vor allem aber freue ich mich, daß ich dann auch das Abendmahl halten kann, nachdem ich heute nachmittag Kelch, Oblaten und Wein bekommen habe. So verlief der Tag sehr schön. Zum Essen blieben wir bei Major Prof. Schulze; es gab Graupen, die jedoch mit geistlichen und weltlichen Gesprächen gewürzt wurden. Gegen 15 Uhr kehrten wir zurück. Den Rest des Nachmittags habe ich dann vertrödelt. Pfarrer Eickhoff legte sich aufs Bett. Ich wollte arbeiten, doch dann haben wir uns sehr lange unterhalten. An Gesprächsstoff mangelt es nie. Er nennt sich Assessor und ist in Magdeburg anscheinend ein bedeutender Kirchenmann. Fabelhaft ist sein Verhältnis zur katholischen Jugend. Er hat an den höheren Schulen unterrichtet. Auch in unserer Division hat er eine Reihe Schüler, die in großer Treue zu ihm stehen. Er las mir vorhin ein paar feine Briefe vor. Der Mann ist wirklich zu beneiden. Wenn man schon hat arbeiten und wirken dürfen, ist das doch sehr viel beruhigender, als wenn man so ganz am Anfang, ja fast ohne Zusammenhang mit seiner Kirche steht. Wie mag es wohl kommen, daß die katholische Kirche so sehr viel fester im Volke wurzelt als unsere, obwohl sie lateinische Messen und Priester und den ganzen niederen Kult hat? Wir haben eine gute Theologie, vielleicht auch tüchtige Prediger, aber die Verbindung zwischen Volk und Kirche ist nur sehr lose. Aufgrund seiner feinen Erfahrungen mit der Jugend ist Pfarrer Eickhoff auch optimistisch im Weltanschauungskampf. Er kennt die Treue der Katholiken zu ihrer Kirche. Ach, wenn man doch auch für seinen Herrn wirken könnte und gleichzeitig der eigenen Faulheit und Schüchternheit Herr würde! Morgen wollen wir nun zu meinem Regiment, wo wir Ostern Gottesdienst halten. Da heißt es noch fleißig sein!
Sehr enttäuscht war ich, daß ich heute keine Post bekam. Ja, wenn man kommandiert ist! Geduld, liebe Seele! Wie mag es Euch gehen? Hoffentlich bist Du nicht zu enttäuscht wegen des entschwundenen Urlaubs. Ich will sehen, ob ich Pfarrer Döring jetzt während seines ganzen Urlaubs vertreten kann. Wäre das nicht schön? Hinterher werde ich es dann versuchen. Ich hoffe jetzt natürlich auf Pfingsten. Erzieh mir meine Tochter nur recht gut! Hoffentlich nehmt Ihr sie nicht zuviel auf den Arm! Spartanische Erziehung, liebes Kind! Ob die Kleine mir wohl entgegen läuft, wenn ich auf Urlaub komme? Mein Lieb, sei nicht zu ungeduldig; mir geht es ja gut! Ist es nicht eine Gnade, daß ich mein Amt ausüben darf? Darüber bin ich wirklich froh. Es ist vielfach schwieriger als das Soldatspielen, aber man ist doch anders mit dem Herzen dabei. Ich bin nun mal kein geborener Soldat.
Die heutige kurze Ansprache füge ich bei. Betrachte sie nicht als theologische Arbeit, sie ist ein bescheidenes Zeugnis. Zu gründlicher Vorbereitung kommt man nicht.
Recht innigen Sonntags-Ostergruß.
Dein Heinz

P.S. Heute kam Vater Gratulation zu Gesas Geburt. Auch die von Tante Clara, sowie Deine Anzeige.

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top