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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 06.12.1941 (3.2002.0985)

 

den 6. Dez 1941



Meine geliebte Ursula!

Nun haben wir doch so etwas wie einen Adventskranz oder Zweige. Gestern brachte einer unserer Leute einige Zweige eines Lebensbaumes mit. Diese habe ich in eine Vase getan. Natürlich ist Vase nicht der richtige Ausdruck. Es ist eigentlich einer jener eigenartigen russischen Kochtöpfe, die überall zum Milchkochen und dergl. verwendet werden Das Gefäß ist aus Ton und innen glasiert. Von außen sieht es schwarz aus, ich weiß nicht ob vom Ruß oder durch irgendeine schwarze Farbe beim Brennen der Gefäße. Wir haben uns vor langen Wochen in Novonirgorod [?] Honig darin gekauft. Später habe ich mal Mehl darin aufbewahrt und jetzt stand der Topf lange herum, um nun also als Vase wieder zu Ehren zu kommen. Die Form eignet sich sehr gut dazu. Sie ist etwa 30 cm hoch und ein wenig dickbauchig. Wenn sie von außen nicht so zerkratzt wäre, könnte sie fast als moderne Handwerkskunst gelten. In diese Milchtopf-Vase habe ich also einige Lebensbaumzweige gestellt. Dann nahm ich Stanniol aus einer Zigarettenschachtel und schnitt lange, schmale Streifen. Mit ihnen behängte ich die Zweige und an den einen legte ich den Adventsstern, der in einem Deiner Päckchen mitkam. Außerdem stelle ich noch eine dicke rote Kerze, die ich sorgsam bisher aufgehoben hatte, mitten hinein. Damit war dann unser Adventskranz fertig. Du siehst, man brauch sich nur ein wenig zu bemühen, dann findet man auch hier sogar etwas, einen Abglanz der sonstigen Weihnachtsstunden. Um diesen zu erhöhen trafen heute zwei Päckchen von Dir ein. Als ich einen Blick hineinwarf, las ich 1. bzw. 2. Weihnachtspäckchen. Daraufhin habe ich schleunigst den Deckel wieder zugemacht und die Pakete zwischen die Doppelfenster gestellt. Da mögen sie sich von ihrer langen Reise ein wenig verpusten, ehe sie zu Weihnachten zu Ehren gelangen. So kann ich Dir jetzt also nur im allgemeinen meinen Dank dafür abstatten. Im übrigen will ich ruhig noch bis zum Hl. Abend warten. Gestern habe ich von der Markentenderei einige Flaschen geholt. Daran soll es also zu Weihnachten und Silvester nicht mangeln. Bisher habe ich eine Flasche Rum, sehr geeignet für einen Grog, nachdem Du mir Zucker geschickt hast, eine Flasche Rotwein, vielleicht für Punsch, und je eine Weißwein, Sekt und Kräuterlikör. Du siehst, das sind „Schätze“, die meine normalen zivilen Bedürfnisse zwar weit übersteigen, aber hier doch vielleicht von Vorteil sind, zumal Mannschaften wenig Alkohol bekommen und wir doch zu Weihnachten gemeinsam feiern bzw. unseren Leuten etwas schenken müssen. Vor allem Meister Strube hat das ja so sehr verdient, hat er doch immer so viel zum Essen besorgt, daß ich reichlich genug hatte, wo Wastl und mancher andere dauernd stöhnen müssen. Selbstverständlich macht sich auch bei uns der Winter sehr störend bemerkbar. Da fehlt das frische Gemüse, und seien es nur Gurken und Tomaten, aber auch Eier sind jetzt nur schwer zu bekommen, und seit aus T. so sehr viele Soldaten gekommen sind ist die Butter trotz guter Quellen dauernd vergriffen. Mit einem Schlage ist da ein Umschwung eingetreten. Bislang hat Meister Str. für uns alle etwas besorgt, aber das soll er jetzt nicht mehr. Wastl soll seine Leute ruhig selbst losschicken. Aber die beiden taugten nicht dazu, der eine ist ein G’schaftsführer, der nur von sich redet, aber nichts beschickt [?], der andere ist ein Windhund, der statt etwas zu besorgen nur mit den jg. Mädchen herumschäkert. So sind unsere drei Gebirgler ein recht eigenartiges Gespann. Wastl wollte dieser Tage schon ein großes „Menü“ für Weihnachten zusammenstellen. Da habe ich ihn ausgelacht, denn durch ihn und seine Leute kommt doch nichts ins Haus. Doch nun genug davon! Gestern war ich beim Korps. Es liegt jetzt unmittelbar hinter der schlechten 35 km Wegstrecke, die Dir ja schon ein Begriff sind. So hatte ich gar nicht so weit zu fahren. Man hatte mir einen Kübelwagen zur Verfügung gestellt, da ich einige Kisten mit Zerbrechlichem mitzunehmen hatte, die kürzlich bei dem Besuch mitgekommen waren und nun zu einem von Richards sehr hohen Vorgesetzten weiterwandern sollten. Beim Korps war gerade für die V.O.s und ähnliche kleine Geister ein Kasino der „2. Staffel“ eröffnet worden und die Stimmung war allgemein wenig rosig. Dann das Kasino öffnete seine Pforten ohne jegliche Vorräte. Lediglich ein russischer Samowar hatte sich eingefunden, während der gerettete Kaviar und andere Köstlichkeiten bei der Teilung nicht zur Verteilung gelangt war. Nun erzählten sie von den großen Mengen an Zigaretten, Tee, Wein u dgl., die bei dem großen Fang, den man endlich mal gemacht hatte, beschlagnahmt waren und nun leider aus bestimmten Gründen jetzt unerreichbar sind. Doch das ist ja schließlich zu verschmerzen! Beim Korps läuft jetzt jeder wie ein Russe herum. Auch ich habe mich ein wenig russifiziert und gestern auf der Fahrt meine russische Pelzmütze aufgehabt. Sie sitzt so warm, daß es unangenehm war. Dabei zog ich die Ohrenklappen herunter und war so ganz geschützt. Diesmal kam ich sogar ganz ohne Panne heim, worüber ich besonders glücklich war. -
Gestern hatte ich eine besonders große Freude: Werner schrieb mir 2 Briefe und teilte mir mit, daß er zum Studium beurlaubt ist. Das ist für ihn und Vater besonders schön und freut mich außerordentlich. Adele ist jetzt auch dem Lande nahe bei T.
Ob Du Dein Reiseprogramm wohl eingehalten hast? Hoffentlich hast Du überall recht schöne Tage! Recht herzlich grüßt Dich, mein Lieb

 

 



Ansicht des Briefes

 

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