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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 29.01.1943 (3.2002.0985)

 

29.1.1943



Hat der Krieg eigentlich seine eigenen Gesetze? Ich las jetzt "Es werden nicht alle, die zu mir sagen: ‚Herr, Herr!‘ in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel!“ Soeben kam ein Alter zu mir, man habe ihm sein Schwein genommen. Nun wollte er zumindest etwas davon abhaben. Jedenfalls ist er das Vieh los. Natürlich ist es für unsere Küche, aber wen es trifft, für den ist es hart. Soll ich nun meinen Leuten weniger zum Leben lassen, um die Zivilbevölkerung zu schonen? Oder bin ich zur Fürsorge für meine Männer verpflichtet, daß sie so gut wie nur irgend möglich leben? Im allgemeinen sagt man sich, daß der Krieg sein eigenes Recht habe. Damit ist der Fall dann erledigt. Anders steht es vielleicht, wenn sich einige wenige etwas aneignen. In Baksan hatten wir ein sehr sauberes Quartier, das angeblich Offizierskasino gewesen war. Dort standen zwei große Häfen mit Schmalz, je einer mit Honig und mit eingemachten Kirschen. Alles wanderte mit uns ab. Die Alte war zeitig dahinter gekommen, aber was sollte sie machen? Es war ja Feindesland, das von uns aufgegeben wurde. Der eine riesige Schmalzhafen wandert noch jetzt mit uns. Ich habe damals alles geduldet, vielleicht auch noch dazu animiert. Wir waren damals in solch einer Raubtierstimmung. Das brachte wohl der Rückzug mit sich. Fritsch meinte heute, er werde zeitlebens daran denken. Es muß also wohl nicht sehr schön gewesen sein, und da er von Natur sehr weich ist, tat es ihm leid. Mitunter sind wir Soldaten ja auch sehr freigiebig. Vorhin zum Kaffee gab unsere Babuschka uns sehr schöne Pfannkuchen, aus Dickmilch und Mehl hergestellt und in Öl gebacken. Sie sahen sehr lecker aus und schmeckten ausgezeichnet. Da gaben wir ihr einen Teller Zucker, denn davon haben wir ja auf dem Sturmgeschütz soviel, daß er fast verkommt. Ein riesiger Papiersack liegt oben auf dem SPW, leider wird der Zucker feucht.
Du siehst, der Krieg bringt nicht nur eine Umwertung, sondern auch eine Revolution auf dem sittlichen Gebiet. Hat er eigene Gesetze. Dir zu Ehren und uns zum Wohl ließ ich gestern abend noch eine dritte Flasche Champagner holen. Er schmeckte, tiefgekühlt, ganz wunderbar. Keim stiftete dazu noch eine Tafel erbeuteter Schokolade. Da saßen wir noch eine Zeitlang auf, bis ich mich schließlich auf das weiche, schöne Lager niederließ. Habe ich nun Deinen Geburtstag nicht gebührend gefeiert? Ich glaube, ja!
Bin an einem Feldflugplatz vorbeigekommen. 1000 Grüße!
Dein Heinz

 

 



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