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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 28.09.1941 (3.2002.0985)

 

den 28.9.41



Meine geliebte Ursula!

Jetzt muß ich mal ein wenig schulmeistern bzw. schnell meinen Triumph richtig anbringen. Soeben bekam ich Deinen Brief Nr. 17 vom 15.9., ohne Kopf natürlich. Das scheint jetzt so allmählich Selbstverständlichkeit zu werden. Doch das nur als kurze Nebenbemerkung. Was Du von Dir schreibst, ist so recht Wasser auf meine Mühlen. "Vor allem ohne Hinderung schlafen", lese ich da und entsinne mich, daß mir jemand sagte, das sei gar nicht so schlimm in Hamburg mit den nächtlichen Alarmen. Und daran; heißt es weiter: "hier am leichtesten und fröhlichsten ertragen". Dabei klingt mir in den Ohren, wie gut und zeittotschlagend der Betrieb in Hamburg sei, während ein anderer so sehr für einen möglichst langen Aufenthalt im Geslauer Pfarrhaus war! So kann ich denn nur fragen: Habe ich das nicht immer gepredigt? Aber ich bin nicht nur froh, darin recht gehabt zu haben, sondern ich freue mich, daß es Dir dort so gut gefällt. Nur eines paßt mir nicht, daß Du meiner Frage, wie es Dir gesundheitlich geht, ausweichst. Ich las auch aus einem Deiner letzten Briefe heraus, daß Du wieder versucht hast, Rad zu fahren. Bitte tu mir den einen Gefallen und laß das sein! Was Du nicht zu Fuß oder im Auto schaffst, das sollst Du wohl nicht erreichen. Das einzige, was Du mir schreibst, ist: aber alles ist nicht in Ordnung! Bitte schreib mir doch mal genauer, wie es jetzt um Dich steht. So erfreulich auch die 117 Pfd. sind, sie allein sind nicht ausschlaggebend. Nach den Urteilen Deiner Ärztinnen nahm ich an, daß Du nun doch organisch wieder gesund wärest. Wenn Du Dich nicht so fühlst bzw. noch Beschwerden hast, so habe ich doch wohl ein Anrecht darauf, das zu erfahren. Es ist doch wichtiger, Du teilst es mir mit, als daß Du es in Dich hineinfrißt. Irgendwelchen Kummer muß man immer abladen. Bin ich da nicht der geeignete Packesel, auf den Du jederzeit alles abladen kannst? Also, mein Kind, tu mir den Gefallen und sei nicht so verschlossen! Es trägt sich alles leichter so. Wenn es auch nicht schön ist, daß Frauen mit jeder Kleinigkeit ihrem Mann in den Ohren liegen, so ist das Gegenteil doch auch von Übel; denn dazu ist man ja schließlich verheiratet, daß man alles gemeinsam trägt. Im übrigen ist eine unangenehme Nachricht leichter zu ertragen als eine ahnungsvolle Ungewißheit. Außerdem weißt Du, daß ich mich doch wahrhaftig nicht so leicht unterkriegen lasse und schon manches Unangenehme, vielleicht auch Schwere überwunden habe. Gemeinsam werden wir das bestimmt tun. Natürlich ist das für Dich schwerer als für mich, weil Du ja auch mehr davon betroffen bist. Nun wirst Du vielleicht sagen; "Ja, Ihr Männer versteht die Seele einer Frau doch nie so ganz!" Das mag in manchem stimmen, so auch darin, wenn Du von der "Sehnsucht nach dem andern" schreibst. Das kann ich gewiß nicht so nachfühlen wie Du, die Du die Enttäuschung ungleich stärker gespürt und getragen hast. Aber wir wollen unsere Gedanken doch nicht zu sehr daran hängen, das wäre undankbar. Ich könnte Dich darauf hinweisen, wie jung wir beide noch sind. Ja, vorläufig fühle auch ich mich mit meinen 29 Jahren noch jung! Wir haben hoffentlich das Leben noch vor uns. Doch nicht allein das! Es wäre undankbar, wenn wir unsere Gedanken gerade an das Eine heften wollten, was uns bislang versagt geblieben ist, und darüber das Viele vergäßen, was uns zuteil wurde. Mir fiel heute früh unser Besuch bei Elisabeth Münchmeyer ein. Damals zeigte sie uns voll Stolz ihr gutes Silber. Ich kann wohl sagen, daß ich sie im Stillen vielleicht wohl etwas beneidet habe. Auch sonst hatte sie solch feines behagliches Heim. Und was hat sie heute? Oder denken wir an die vielen Frauen, deren Mann gefallen ist oder verstümmelt aus diesem Feldzuge heimkehrt. Wir haben so viel Grund, uns an dem vielen, das uns geschenkt wurde, zu erfreuen, daß wir unser Herz nicht gerade an das Eine hängen wollen, das uns bisher versagt wurde! Meinst Du das nicht auch, mein Lieb? Denk lieber öfter mal an Deinen Mann und daran, daß er Dich lieb hat und lieb haben wird, wenn er auf Urlaub kommt, als an das andere. Das wird dann zu gegebener Zeit, so Gott will, sich einstellen. Es werden ja auch für uns beide mal wieder bessere Tage kommen. Sieh, in einigen Wochen ist dieser Feldzug zu Ende. Dann geht es in die Heimat, oder es beginnt doch die Urlaubszeit. Wollen wir uns nicht lieber erst einmal darauf freuen? Wie viele Frauen wird es dann geben, für die die Heimkehr der Truppen oder die Ankunft der Urlauber nur neuen Schmerz bedeutet!
Ich denke, damit habe ich Deinen Brief einigermaßen ausführlich beantwortet. Jetzt will ich noch etwas von mir berichten. Inzwischen ist es Montag geworden. Dein jüngster Brief ist genau drei Wochen alt. Hoffentlich braucht dieser nicht so lange Zeit. Ich bin gespannt, wie lange dieser und die beiden vorigen Briefe unterwegs sind.-
Gestern nachmittag machte ich eine kleine Ausfahrt. Das Wetter war kühl, aber es ist gut, wenn man des öfteren an die frische Luft kommt. Gleichzeitig wollte ich eine Gurke besorgen, da wir saure Sahne geschenkt bekommen hatten. Wir fuhren abseits von der großen Marschstraße und bummelten durch die etwas wellige Landschaft. Schließlich bei einer Bauerschaft machten wir Halt, als wir einige Riesengurken vor einem Hause liegen sahen. Die Weiber und Männer waren recht freundlich, wollten aber nicht, daß wir von den Gurken nahmen. Schließlich stieg die eine Alte in den "Keller" und brachte eingelegte Gurken, Tomaten und Paprika. Damit war uns freilich nicht gedient; denn wir wollten ja Salat machen. Die Verständigung war sehr lebhaft. Die Frauen redeten und gestikulierten heftig, bis wir nach einiger Zeit sagten: ne ponje mai', d.h. ich habe nichts verstanden. Darauf allgemeines Gelächter. Schließlich ging uns ein Licht auf. Die großen Gurken dienten der Saatgewinnung. Übrigens ist ein Keller hier sehr einfach. Es wird ein senkrechter runder Schacht gebaut wie für einen Brunnen. In 6 - 8 m Tiefe wird er erweitert und diese Erweiterung dient als Keller, in den eine Leiter hinabführt. Oben drauf ist ein großer Holzdeckel oder auch wohl mal eine Verschalung. Im übrigen ist der Schacht weder abgestützt noch ausgemauert. Anscheinend hält das so. Die ersten 1,20 bis 1,50 m sind die berühmte Schwarzerde, darunter ist ein fester gelber Sand. Mit unserer Beute beladen, zogen wir noch zu einigen anderen Häusern. Hartmann gab stets den Frauen gleich die Hand und redete ihnen auch sonst gut zu, daß sie etwas herausrückten. Eier bekamen wir jedoch nur 3. Unterwegs unterhielten wir uns vom Briefeschreiben. Ich sagte ihm, er solle doch mal solche Erlebnisse nach Hause schreiben, darüber würde sich seine Mutter bestimmt freuen. Eigenartig, daß die meisten so von dem Alltäglichsten nichts schreiben. Außerdem wirkt das doch bestimmt beruhigend für eine Mutter, wenn sie sieht, daß ihr Sohn nichts auszustehen hat. Nach unserer Rückkehr aßen wir rasch zu Abend: Bratkartoffeln, kalten Braten und Gurkensalat in saurer Sahne! Dann zogen wir ins Kino. Dort mußten wir noch 1 1/2 Stunden in dem völlig dunklen Raum warten, bis es endlich losging. Ich sagte zu Dittwald: Jetzt müßte es einen Knall geben und ich irgendwo mit meiner Frau im Kino sitzen - Darauf er: Nein, ich müßte im Bett liegen und diesen ganzen Sch... geträumt haben.
Das Kino war für hiesige Verhältnisse sehr ordentlich, soweit ich das in der Dunkelheit gesehen habe. Von dem Film "Hochzeitsnacht" hatte ich gehört, das sei so richtig was für Landser. Zunächst kamen zwei Wochenschauen, gewiß sehr interessant, aber das hat man ja nun zur Genüge gesehen. Der Film selbst war bestimmt nur für primitive Geister geeignet. Humor war sehr wenig darin, dafür aber manches Derbe. Wenn gezeigt wird, wie ein Pärchen sich morgens aus seinem Bett erhebt, ohne verheiratet zu sein, und ähnliches deutlich genug bei anderen angedeutet wurde, wenn gleichzeitig ein Katzenpaar gezeigt wird, das sich wohl derselben Beschäftigung hingibt, dann kann ich mich nur wundern, wie primitiv man des Landser einschätzt, - vielleicht mit Recht--, vor allem aber, daß man ihm nicht etwas bessere Kost vorsetzt. Soll man an die niederen Instinkte appellieren oder nicht lieber echte Lustspiele zeigen? Wie gesagt, der Film hat sicher allgemein gefallen. Heute früh ist nun Dittwald endgültig gefahren. Ich bedaure es sehr, vor allem wegen seines guten Humors und seiner westfälischen Ruhe.
Mein Lieb', ich danke Dir für die Umschläge, jetzt habe ich erstmal guten Vorrat. Könntest Du mir nicht mal ein Paar vernünftige Strümpfe stricken? Wolle habe ich leider nicht.
Grüße Mutter, Onkel Georg und Tante Lene herzlich von mir.
Vor allem aber grüße ich Dich, meine liebe kleine Frau
so recht von Herzen

Dein Heinz

 

 



Ansicht des Briefes

 

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