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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 02.12.1941 (3.2002.0985)

 

2.12.1941



Meine liebe Ursula!

Eigentlich habe ich bereits genug geschrieben. Ich bin nämlich augenblicklich dabei, Weihnachtsbriefe zu schreiben. Mehr als die Hälfte, nämlich 11 an der Zahl habe ich bereits fertig. Solche Massenfabrikation ist aber kein reines Vergnügen, auch wenn man sich Mühe gibt, jedem Briefe eine persönliche Note zu geben. Aber so recht wollte das Schreiben heute nicht klappen, da es hier im Zimmer recht kalt ist. Der eine Heizkörper heizt nicht sehr stark., außerdem ist die Heizung nur schwach eingestellt. Zu allem Überfluß schließen die Fenster nicht recht, obwohl es Doppelfenster sind. Ich bin nur froh, daß ich die Pulswärmer habe, sie tun mir die besten Dienste, auch hier im Zimmer. Habe ich Dir schon mal unsere komfortable Wohnung beschrieben? In unserem Zimmer steht ein Schreibtisch, natürlich mit dünner Sperrholzplatte. Sämtliche Möbel, sofern es dergleichen hier überhaupt gibt, sind aus dünnen Sperrholzplatten angefertigt, auch Tische. Deswegen bedeutet das Besteigen eines Tisches Lebensgefahr! Also außer dem Schreibtisch steht ein Buffet a la 1910 darinnen, auf dem seit heut nachmittag ein Radio steht, ferner 2 Kanapees, recht hart, zum Schlafen wenig geeignet, sodaß ich 5 mal nachts aufwache, nämlich sooft ich mich auf die andere Seite lege, was ich jetzt also zügeln und mit der Uhr genau verfolgen kann, zumal ich dann Angst haben muß, daß der Mantel, mit dem ich mich zudecke, von der schmalen Ruhestatt mit einem Zipfel auf die Erde rutscht und dann als Leiter für die lieblichen Tierchen sehr geeignet ist, von denen ich gestern, o Graus! eines an der Wand neben meinem Kanapee entdeckte – und das bei Tage! So ist das schlafen ein Witz für sich! Außer diesen komfortablen Stücken ist ein Tisch mit etlichen Stühlen in der Stube sowie ein kleiner Schachtisch. Vor den Fenstern hängen abends Zeltbahnen. So also sieht unsere Wohnung aus. An den getünchten Wänden hängen 2 Karten, einige Fotos von Euch und kleine Postkarten. Unser Quartier hat wohl Juden gehört. Doch die Stadt ist seit geraumer Zeit judenfrei. In unserem Sanatorium war es natürlich behaglicher, aber es dienst jetzt anderen Zwecken. Unser dortiges Zimmer sah heute einen ganz besonderen Gast ‚Gessers’ höchsten Chef! Wastl hat ihn gesehen. Nun werde ich morgen wohl sicherlich zum Korps fahren müssen, doch ist’s jetzt nicht so weit. Vorhin brachte Wastl mir Deine beiden Päckchen P27 und 26. Die vielen Plätzchen sind wunderbar angekommen und schmecken herrlich. Ich werde sie Sonntag feierlich zu mir nehmen. Recht herzlichen Dank! Am 1. Advent trank ich nachmittags Kaffee und dazu gab’s Plätzchen aus Hbg. Ja, ich hab es doch gut! Sogar eine Kerze hast Du mitgeschickt! – Daß Walter Münchmeyer gefallen ist, tut mir unendlich leid. – Du bist heute sicherlich in Rhoda.
Recht von Herzen grüße ich Dich, mein Lieb!
Dein Heinz.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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