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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 18.02.1943 (3.2002.0985)

 

Sl., den 18. Februar 1943



Meine liebe Ursula!

Gestern kam ich nicht zum Schreiben. Das muß nun heute nachgeholt werden. Vorgestern ging ich zum Oberwerkmeister, der Geburtstag hatte, um ihm zu gratulieren. Ich bewaffnete mich mit einer Flasche Rotwein; er trinkt ja gern einen. Dort waren auch der Major, der Kriegsingenieur und noch ein Werkmeister. Wir tranken einige Schnäpse und ließen uns dann zum Nachmittag einladen. Der Major überließ mir einen Reuter-Band, der irgendwo erbeutet wurde. So habe ich also wieder etwas Schönes zu lesen. Am Nachmittag gab es Schnaps, d.h. Rum, dann guten Kaffee mit einer Unmenge von Berlinern; hinterher eingelegte Äpfel, Apfelmost, Rum, Käsebrote, Kaffee. Es war also ein sehr reichhaltiges Magenprogramm. Die Unterhaltung war zunächst sehr fachlich, es wurde also über Werkstatt-Arbeiten, Wagen und dergleichen gesprochen, für mich einigermaßen langweilig. Anläßlich der Einnahme Charkows versuchte ich das Thema auf die militärischen Ereignisse zu lenken. Ich sprach auch von den Judenaktionen hier im Osten. Doch da stand der Major auf dem Standpunkt, ob das richtig sei, werde der Erfolg entscheiden. In puncto Behandlung der Russen ist er sehr exakt. Er bezahlt jedes Huhn oder Ei und will sich darin sehr bewußt von den Rumänen absetzen. Ob die Russen nun in 8 Tagen mit dem Geld das Feuer heizen müssen oder nicht, das ist ihm einerlei – bewußt korrekt. Ich habe in mancher Beziehung den Eindruck, daß das Gewissen unseres Volkes weithin abgetötet ist.
Wir sprachen dann von der Regierungsumbildung in Italien. Es ist ja seltsam, daß Ciano Botschafter beim Vatikan geworden ist, ausgerechnet dieser Mann in exponierter Stellung. Der Gedanke an eine Vermittlung des Vatikans liegt da sehr nahe. Man war allerdings der Ansicht, daß dieser keinen großen Einfluß mehr habe. Von da aus kamen wir auf weltanschauliche Fragen. Der Major hat sich, als er arbeitslos war, sehr eingehend mit Astrologie beschäftigt. Er meinte, jetzt kommen 2000 Jahre deutschen Zeitalters, das christliche sei abgelaufen. Wir kehren zu der hohen Kultur, die vor dem Christentum bestand, siehe altgermanische Luren, zurück. Da hatte ich dann Gelegenheit, über das zu sprechen, was das Herz unseres Glaubens ist, ausgehend von Sünde, Tod und Teufel, gerade letzteren sehr ernst nehmend, um dann von Auferstehung und ewigem Leben zu sprechen. Mir hat es viel Freude gemacht. Schließlich wurden wir unterbrochen von einem späten Gast, einem Hauptmann. Übrigens ist der Major so recht ein Sohn seiner Zeit, noch der Weltkriegsgeneration, die hin und her geworfen, im Beruf halb gescheitert, erst spät eine Existenz fanden. Um so eifriger haben sie sich in ein deutsches Zukunftsideal verbissen, etwa wie Ludendorff, mit einer eigenen Weltanschauung. Am Christentum haben sie keinen Halt gefunden. Nachdem sie erst spät eine Existenz fanden, sind sie sehr treue Familienväter ihrer selbstverständlich kleinen Familie geworden. Die Großzügigkeit der jüngeren Generation fehlt ihnen, es haftet zu sehr die schwere Zeit an ihnen, die Zeit des Ringens, während die Jungen getragen sind von ihrer Mission und einem sicheren Zukunftsbewußtsein. Erst nach 23 Uhr brachen wir auf .
Heute früh habe ich lange geschlafen. Ich versäume ja nichts. Da ich von gestern noch ziemlich satt bin, schenkte ich mir das Frühstück. Gleich werde ich wohl eine Riehlsche Novelle lesen, die mir jedoch infolge der etwas altmodischen Sprache nicht sehr liegt. Der Besitz dieser Hefte verpflichtet zum Lesen. Umso mehr freu ich mich auf die "Franzosentid". Mein Dvorák ist jetzt etwas mager. Die Epigonenzeit der Raffaelschule ist natürlich weniger interessant.
Denk Dir nur, gestern habe ich das erste weiße Haar entdeckt! Mit der Würde des Familienvaters kommt anscheinend auch das
cht von Dir ist vom 27.1. auf dem Luftwege gekommen.

 

 



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