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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 12.07.1940 (3.2002.0985)

 

den 12. Juli 1940



Meine geliebte Ursula!

Augenblicklich stehen wir ganz im Banne einer schwer zu bändigenden Kauflust. Soeben komme ich von der Feldwebelstube, wo ich die Anzüge besichtigte, die sie sich gekauft haben. Dann überlegten wir uns, was wir nun wohl noch kaufen könnten. Du siehst, es sind sehr ernste Probleme, die wir zu lösen haben. Allerdings ist mit Tischwäsche nichts zu machen. Das einzige sind Bekleidungsgegenstände. Diese werden aber auch in rauhen Mengen gekauft. Ich habe jetzt auch so einiges, so daß ich jetzt bremsen muß, daß ich nicht zuviel Geld ausgebe. Denn gestern gab es Geld. Für mich waren es etwas über 500,-- RM, die ich infolge meiner Beförderung erhielt. Du kannst Dir denken, daß solche plötzliche Fülle eine große Kauflust erzeugt, um nicht zu sagen: einen Kaufrausch. Ich hatte in meiner rechten Uniformtasche einen gebündelten Packen mit 2-RM-Scheinen. Wenn ich nun in einem Geschäft etwas besorgt hatte, zog ich mein Geldpaket und zählte die Scheine ab. Unter anderem kaufte ich mir etliche Schlipse, zum Teil allerdings nicht sehr hübsche, da die Auswahl nur noch sehr gering war. Dann ein Paar schwarze Halbschuhe, deren Form echt französisch ist. Man muß sich erst ein wenig daran gewöhnen. Morgen will ich mal sehen, ob ich mir nicht auch einen Anzug kaufen kann. Die Schwierigkeit besteht nur im Abtransport. Man weiß so schlecht, wo man die vielen Sachen lassen soll. Hätte ich nur eine vernünftige Offizierskiste! Dann wäre ja alles geregelt. Aber so ist es sehr schwierig. Einen Koffer konnte ich heute nicht bekommen. In manchen Dingen merkt man doch auch, daß die Produktion in doch fast einem Jahr gestockt hat. Außerdem sind sehr viele Geschäfte geschlossen, anscheinend weil die Besitzer eingezogen sind. Doch nun habe ich genug vom Geschäftsleben erzählt!
Am Tage unserer Ankunft fragte ich den Adjutanten, wie es mit meiner Vorstellung beim Oberst sei. Daraufhin erhielt ich einen gewaltigen Rüffel, daß ich immer noch nicht bei ihm gewesen sei. Am nächsten Tage erwartete ich einen Befehl zur Vorstellung. Als dieser nicht kam, machte ich mich auf und fuhr im Krad los. Zunächst war es nicht leicht, die Regimentsgeschäftszimmer zu finden. Wir wußten, daß sie auf dem Wege nach Vers lagen und fuhren nun ganz bis dorthin. Nach längerer Irrfahrt gelange ich schließlich doch zum Obersten. Er wohnt in einem Chateau hoch oben auf einer Anhöhe mit prächtigem Blick auf die Flußniederung. Von dort fuhr ich wieder zum Regimentsstab und dort wurde ich nach einiger Wartezeit dem Oberst vorgestellt. Dann aß ich mit den Herren zu Mittag. Es war denkbar steif und gezwungen. Hußfeld, mein Amtsbruder aus M, der beim Regiment arbeitet, klagte mir sein Leid. Es muß wahrhaftig nicht so sehr angenehm sein. Nach dem Essen fand die E.K.-Verleihung statt, die jedoch ziemlich geschäftsmäßig vor sich ging – ganz interessant, das mal mit anzusehen. Ich war schließlich froh, als ich wieder gehen konnte. Am nächsten Tage fuhr ich nachmittags mit dem Baron nach V, wo wir das Schloß besichtigten. Dieser gewaltige Bau macht von außen einen imponierenden Eindruck, jedoch im Innern ist er dermaßen durch Entfernung von sämtlichem Inventar und zahlreichen Gemälden, durch Bretterverschläge und Vergipsungen als Luftschutzmaßnahmen sowie durch den die Parkettfußböden mitnehmenden Strom der besichtigenden Soldaten entstellt, daß man gar keinen Eindruck gewinnt. Gestern früh fuhren wir mit unseren Fahrzeugen aus und kamen bis in die Gegend des "Arc de triomphe". Das ist bisher alles, was wir sahen.

Nun leb wohl, mein Lieb! Vergiß nicht, einen großen Koffer mitzubringen. Über unsere Abreise ist noch nichts bekannt.

Herzlich grüßt Dich
Dein Heinz

 

 



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