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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 08.06.1941 (3.2002.0985)

 

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den 8. Juni 1941



Meine liebe Ursula!

Soeben komme ich aus der Kirche, wo ich einen schönen Gottesdienst erlebte. Die Predigt war sehr schlicht, aber klar verständlich über Jesu Missionsbefehl. Sie war klar gegliedert in 3 Teile, wobei der letzte eigentlich nur den Schluß darstellte. Da heut Trinitatis ist, wurden die 3 Artikel, jeweils getrennt durch einen Liedvers, von der Gemeinde mitgesprochen, allerdings sehr leise. Ich muß sagen, daß das doch mal sehr gut tut. Das fiel mir besonders auf beim 1. Artikel, wo es heißt: "ohn all mein Verdienst und Würdigkeit". Das Vaterunser wurde von der ganzen Gemeinde gebetet, auch die übrigen Gebete waren sehr gut. So muß ich sagen, daß ich wirklich mal einen Gottesdienst erlebt habe, der zur inneren Stärkung dient. Man merkt an Liturgie und Gebeten den Einfluß der Bekennenden Kirche. Ich hatte das gar nicht erwartet. Da war nichts antiquiert und gesucht, und doch war die Sprache gehoben. Der Gottesdienstbesuch war gut, man merkt, daß hier eine Diasporagemeinde ist. Jetzt stehen noch einige Gespanne vor der Kirche, da die Eltern wohl auf die Kinder warten, die jetzt am Kindergottesdienst teilnehmen. Die Kirche selbst ist eigentlich nicht hübsch, aber doch ganz freundlich. Sie ist neugotisch, außen verputzt, innen ein wenig ausgemalt, die Lampen und Leuchter sind allerdings häßlich. Heute spielte Hanse die Orgel, da der Organist sein Amt niedergelegt hat. In Zukunft wird es wohl Frau Pastor machen müssen.
Ich habe Dir wohl noch gar nicht erzählt, daß wir am Freitag im Warthegau, also jenseits der russischen bzw. polnischen Grenze von einst, waren. Die Stadt Praschkau macht von Ferne einen ganz annehmbaren Eindruck mit ihrer großen, zweitürmigen Kirche. Sie liegt unmittelbar an der Grenze. Wenn man allerdings in solcher Stadt selbst ist, sieht man, daß sie doch noch etwa zehnmal öder ist als etwa Landsberg. Da sind keine Schaufenster und vernünftige Läden, die Häuser sind unfreundlich, überall laufen Juden jeglichen Alters herum, die durch ihren Stern kenntlich sind und dauernd den Hut ziehen müssen. Am Rande der Stadt ist ein Friedhof, offenbar jüdisch. Seine Mauer wird jetzt abgebrochen und für Straßenbau verwendet. Er liegt an einer Höhe, die wohl ganz abgetragen werden soll, da sie Eisenstein enthält. Dort ist bereits ein großer Kasten gebaut, in dem das Erz seine erste Verarbeitung erfährt. – Nun leb wohl, mein Lieb! Recht herzliche Grüße und hoffentlich baldiges Wiedersehen!

Dein Heinz

PS: Dies ist wohl der letzte Brief nach Pyrmont!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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