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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 11.12.1942 (3.2002.0985)

 

Nr.81

11. Dezember 1942



Meine geliebte Ursula!

Die Hauptattraktion habe ich ja vergessen! Etwas habe ich Dir ja doch zu Weihnachten zugedacht, daran erinnert mich heute der Brief an Frau Pastor Behrmann, die ich um ein Hasenfell bat. Ich hoffe, daß sie es bekommen hat. Dann wird also vielleicht auf Deinem Gabentisch ein solches Fell liegen. Denke Dir dazu das Leder, das ich im Sommer schickte, das leider nach Heiligendorf gewandert ist, und ferner noch ein Sohlenleder, das ich hier noch in meiner Kiste habe, dann hast Du alle Rohmaterialien für ein Paar Russenstiefel, wie die Damen zu Hause sie jetzt so gerne tragen. Das also hatte ich Dir zum Fest zugedacht. Schwierig allerdings wird es sein, jetzt einen Schuhmacher zu finden, der Dir die Stiefel macht. Aber vielleicht habt Ihr irgend jemand, der einen Schuhmacher weiß oder breitschlagen kann. Es würde mich jedenfalls riesig freuen, wenn Du solch ein Paar Russenstiefel für Wintertage und Schmutzwetter bekämst, gerade wo Du so sehr unter Frost zu leiden hast. Vielleicht findest Du ja jemand. Das Sohlenleder schicke ich demnächst mit einem Urlauber mit, der es bei der Post aufgeben muß.
Damit habe ich das Wichtigste wohl geschrieben. Nach unserer Berechnung müßte dieser Brief beinahe noch zum Heiligabend rechtzeitig ankommen. Das wäre für mich natürlich eine große Freude. Inzwischen habe ich allerlei Post bekommen. Von Dir waren es die Briefe Nr. 67–70. In dem einen Brief schneidest Du eine ernste Frage an, ob man sich gegenseitig entbehrt oder auch ohne den anderen auskommen kann. Weithin ist fast das Letztere der Fall, jedenfalls scheint es so zu sein. Ohne tiefer darüber nachzudenken, habe ich mir gelegentlich auch schon gesagt, daß wir doch eigentlich recht wenig entbehren und ich es in materieller Hinsicht besser habe als in der Heimat. Aber trotzdem! Ganz wach ist das Bewußtsein, daß das Leben, das man hier führt, nur ein Dahinvegetieren ist, eben deshalb wird einem oftmals gar nicht recht bewußt, was oder wen man entbehrt. Dies Leben, das wir hier führen müssen, ist kein Leben, kein menschliches Dasein, sondern eben ein Dahindämmern. Auf das eigentliche Leben wartet man und erhofft es sich für die Zeit nach dem Kriege, wenn man soweit zu denken wagt. So geht es nicht mir allein, sondern wohl den meisten. Deswegen sind der Blick auf die Berge oder unsere soldatischen Völlereien nur ein schwacher Ersatz, nein, im Grunde sind sie einem fast gleichgültig. Nicht umsonst reden die älteren Landser "von verlorenen Jahren", weil sie dies Leben nicht als voll ansehen. Das Wichtigste für jeden von uns ist daher der Urlaub und die Feldpost, letztere bedeutet für mich: Briefe von Dir. Darum ist einem auch das schönste Paket nur eine kleine Freude, wenn nicht auch ein paar schöne Zeilen beigefügt sind.
Könntest Du Vater nicht den Elektroherd oder einen der Öfen loseisen? Einen der schönen Dauerbrenner könnten wir so wunderbar gebrauchen. Es sollte mir leid tun, wenn Vater alles auf der Hütte gelassen hat. Vater hat sicher nicht daran gedacht, wie gut wir das alles gebrauchen könnten. Denk Dir nur den Elektroherd! Der wäre doch so unendlich viel wert. Schade!
Daß man hier draußen in vieler Hinsicht ein anderer Mensch ist als zu Hause, mußt Du doch schon des öfteren gemerkt haben. Das betrifft auch den Geschmack. Kannst Du Die vorstellen, daß ich süßen Kaffee und süßen Tee trinke? Man wird fast genäschig. Honigbrot zum Frühstück wird in unheimlichen Mengen genossen. Ein Topf wie der mit Deinem Pflaumenmus ist im Nu geleert. Ja, man wird hier wunderlich.
Über eines muß ich mich gelegentlich ärgern. Das ist die Ernährungslage in der Heimat. Ihr habt es doch bestimmt nicht reichlich. Aber auf dem Lande haben die Bauern anscheinend noch im Überfluß. Fritsch bekam dieser Tage ein Stück Schinken, einen Topf mit ausgelassener Butter und dergleichen Alle Augenblicke rollen Päckchen mit Zucker an und große Pakete mit gehaltvollem Kuchen. Auch sonst bekommt er fast alles, was er haben will. Vielleicht haben die Eltern nahrhafte Beziehungen angebahnt. So muß ich mich über das Landvolk ärgern bei all ihrem Arbeiten, das ich durchaus anerkenne. Wie gern gäbe ich mal von unserem Reichtum ab! Aber das ist ja nun mal nicht gut möglich. Draußen ist Matschwetter, nachdem es heute nacht geschneit hat. Das ist nicht sehr erfreulich. Da bleibe ich lieber in der warmen Stube sitzen, zumal ich draußen nicht viel zu suchen habe. Eben kommt ein Gespann und bringt Brennholz! Nein, wir frieren nicht! Meist sitze ich nur in Hemdsärmeln in der Stube, so warm haben wir es.
Recht innigen Gruß und frohe Festtage!
Dein Heinz

PS: Beiliegend die so großartig versprochenen und doch vergessenen Marken!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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