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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 06.07.1944 (3.2002.0985)

 

6. Juli 1944



Meine geliebte Ursula!

Eben wurde mir erzählt, daß der Mann, der auf mich geschossen hat, mit der übrigen Bande geschnappt ist. Der Täter ist bereits erschossen worden. Ohne ein Gefühl des Hasses stelle ich fest, daß damit nur ein gemeines Verbrechen seine Strafe gefunden hat. Du wirst genau so denken. Da es mich freut, daß es unseren Organen gelungen ist, diese Wildwesträuber unschädlich zu machen, schreibe ich es Dir sofort.
Das ist ja ein recht feuchtfröhlicher Abend geworden – feucht durch einen Mousseux und fröhlich durch Deine vielen lieben Briefe, die mich so sehr erquickt haben, für die ich Dir, mein Lieb, ganz besonders herzlich danke. Ich bekam sie gegen Abend, als ich gerade aufstehen wollte. Jetzt steht nämlich ein Großvaterstuhl in meinem Zimmer und ich darf heute eine Viertelstunde aufstehen. Mir war recht komisch und ich war froh, als ich wieder im Bett lag. Morgen wird's ja nun wohl schon besser damit sein. Der Arzt sagte heute: "es heilt fast zu schnell!" Also die Fortschritte sind wirklich sehr groß. Heute früh hat er an der Schläfe noch mal einen Schnitt getan und die schon verheilte Wunde geöffnet. Das war sehr gut. Da sind die Schmerzen geringer geworden. Im übrigen bemühe ich mich zu lesen, soweit das geht. Mit einem Auge ist man doch ein halber Mensch und ich bin froh, wenn ich wieder auf beiden sehen kann. Das soll ganz wiederkommen; ich hab es mir erklären lassen, das leuchtet mir auch ein. Am Bauch ist nur noch ein kleiner Leukoplastverband. Das ist also am allerschnellsten geheilt. Nun werde ich sicher schon bald aus dem Lazarett entlassen. Ich denke, daß ich dann zu Hauptmann Thommes zurückkehren werde. Jedenfalls hat durch den Überfall mein Kradfahren ein jähes Ende genommen. Heute verlieh mir Major Blohm das Verwundetenabzeichen. Also mal wieder ein Dekorationsstück mehr in der Sammlung!
Mein Lieb, ich bin ein herzloser Ehemann, daß ich Dir gerade jetzt immer so kurz schreibe. Ich weiß es. Doch das Schreiben ist recht beschwerlich, der Kopf wohl auch oft benommen oder stets, so daß ich zum Schreiben keinen rechten Mut habe. Wenn ich allerdings wie heute soviel liebe Post von Dir erhalte, dann genieße ich die Freuden eines "Familienlagers“ oder der "Vaterstunde", oder wie man sonst diesen schönen, leider seltenen Zustand nennen soll.
Eigentlich geht es mir jetzt schon wieder recht gut. Ich sitze stundenlang im Bett, sogar der bewußte Schieber wurde heute erfolgreich betätigt. Wenn man das Wohlbefinden nach + und – messen könnte, würde ich heute sagen, daß ich schon wieder auf dem + Punkte angelangt bin. Im übrigen "bilde" ich mich jetzt ungeheuer an einer dicken Schwarte "Die Frauen um Goethe". Dabei ist nur interessant, wie ein gewiß sehr biederer Gelehrter solch einen Dichter zu seinem Abgott machen kann, sei es nun, wenn er die Liebe zu Frau v. Stein anspricht oder das gewiß doch etwas sonderbare Verhältnis zu Goethes "Bettschatz", wie Goethes Mutter die Vulpius wohlwollend nannte.
Doch, meine liebe Ursula, ich wollte ja nicht von Goethe schreiben, sondern Dir danken für all Deine Liebe, die aus Deinen Briefen spricht, das ich leider mit ähnlichen Worten, obgleich gleichen Gefühlen nicht entgegnen kann.
Arbeite nicht zu viel! Konfirmandenstunden sind wichtiger als gebohnerte Küchen! Morgen schreibe ich mehr!
1000 innige Grüße der lieben Frau und unserer Tochter
von Deinem Heinz

 

 



Ansicht des Briefes

 

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