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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 13.02.1940 (3.2002.0985)

 

Salzwedel, den 13.2.1940



Meine geliebte Ursula!

Heute waren wir in Stendal. Wir fuhren um 8 Uhr hier fort. Es war sehr kalt und die Straße recht glatt. Stellenweise war sie so sehr vereist, daß sich die Bäume in dem Eise spiegelten. Zunächst war mir die Straße bekannt, da wir sie am Freitag und auch früher schon befahren hatten. Nach etwa 20 km bogen wir von der Reichsstraße ab in Richtung Stendal. Da begann dann die Glätte in besonderem Maße. Da diese Straße viel enger war als die Hauptstraße, hatte man auch nicht die Möglichkeit, den Spielraum auszunutzen. Unterwegs hatten wir einen Defekt am Vergaser, aus dem der Brennstoff ständig heraustroff. Wir versuchten, einen Autoschlosser aufzuspüren, aber das mißlang. Schließlich kamen wir auch ohne ihn aus. Aber es war doch sehr unangenehm, in der Kälte umherzustehen. Die Füße schmerzten richtig vor Kälte. Gegen 11 Uhr kamen wir in Stendal an. Wir fuhren in die Stadt und bald zur Kaserne, wo wir schleunigst den Speisesaal aufsuchten und uns zu essen geben ließen. Es gab Wurzelsuppe, die sehr schmackhaft, aber sehr dünn war. Ich nahm 2 Teller und war dann recht gefüllt – aber es hielt nicht allzu lange vor. Von dort aus fuhr ich wieder zur Stadt und trieb den Küster von St. Marien auf. Eine alte Frau ging mit mir, sie hatte allerdings wenig Neigung, mir die Kirche zu zeigen. Dann aber war sie doch ganz gefällig. Die Marienkirche hat einen prachtvollen Marienaltar aus der Spätgotik, im übrigen aber ist sie ziemlich nüchtern. Nicht vergessen darf ich wohl den Lettner, an dem sehr alte Apostel- und Heiligenfiguren sind. Was mich verwunderte, war, daß nicht einmal ein großer Teppich vor den Altären lag und auch die Paramente wenig schön waren. Von St. Marien ging ich durch die Stadt zum Dom, den ich schon einmal als Soldat gesehen habe, nämlich 1935, als ich mit Werner während meines 8tägigen Erholungsurlaubs nach Schlesien fuhr. Der Dom ist ungleich gepflegter als die Marienkirche. Er hat sehr stilvolle moderne Beleuchtung, und kürzlich hat man ihm auch seine Barockkanzel zurückgegeben anstelle der neugotischen, die nun ausgebootet wurde. Aber der Reiz des Domes liegt zur Hauptsache in den herrlichen Glasfenstern, die wirklich einzig schön sind. Ich sah noch nie so schöne mittelalterliche Glasfenster wie diese.
Der Chor ist rings mit hohen Fenstern versehen, die meist alt sind. Eine weitere Besonderheit liegt in der strengen Durchführung eines Bauplanes, wodurch die Kirche sehr einheitlich wirkt, fast so sehr wie manche neugotischen Kirchen. Da der Küster sich Zeit ließ, sah ich auch den Kreuzgang und den Gemeindesaal, in dem zur Zeit die Gottesdienste abgehalten werden. Er ist in dem ehemaligen Dormitorium der Domherren. So habe ich mir diesen prachtvollen Bau sehr eingehend betrachtet. Anschließend zog ich noch durch andere Teile der Stadt – trotz der bitteren Kälte. Ich glaube, weniger schaulustige Fahrer hätten es wohl nicht mir gleichgetan. Aber so habe ich doch einen kleinen Eindruck von Stendal, und zwar einen sehr guten. Auch die Geschäftsauslagen waren sehr sehenswert. Gute Buchhandlungen gibt es ebenfalls dort. In einer sah ich ein neues Buch von Pinder, das mir sehr gefiel. Als ich diesen Rundgang beendet hatte, war es schon wieder Abfahrzeit. Sehr angetan und befriedigt fuhr ich zurück. Die Rückfahrt hatte ich allein. Es waren 60 km. Eine schöne Fahrt trotz Kälte und Glätte.
Heute nacht hat es sehr stark geschneit. Es sind hier große Schneeverwehungen. Soeben sind wir von der kurzen Prüfungsfahrt zurückgekehrt. Den Führerschein habe ich jetzt also in der Tasche, worüber ich sehr froh bin.
Mit dem Klavierkauf bin ich sehr zufrieden. Nun müssen wir sofort die Bezahlung meiner Möbel sowie des Klaviers regeln. Ich kann 500 RM für das Klavier sofort flüssig machen. Ob ich es wohl bald mal sehe? Laß doch das Gehalt auf das Postscheckkonto überweisen, damit ich andere Überweisungen vornehmen kann.
Recht herzlich grüßt Dich
Dein Heinz

 

 



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