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Brief (Transkript)

Hellmuth H. an seine Familie am 02.09.1941 (3.2002.7139)

 

Nr. 48

2.9.41



M.l.B!

Herzlichen Dank für Deine Nachrichten vom 17. u. 20. (Nr. 11 u. Photo-Schaja-Karte). Aller Voraussicht nach bist Du, wenn dieser Brief in die Heimat kommt, in Stuttgart; deshalb geht dieser Brief dorthin und ich schicke nur gleichzeitig eine Karte als Lebenszeichen nach Wepritz. Mir geht es unverändert gut; man hat verhältnismäßig viel Zeit; am 29. war hier schon Eröffnung eines Soldatenkinos in einem recht netten russ. Theater; die allerneueste Wochenschau und „Männerwirtschaft“; das letzte Mal war ich in Rumänien, das vorletzte Mal in Bulgarien im Kino. Schön, daß Du Dir auch Filme ansiehst (wie „Friedemann Bach“); sollte in einer Wochenschau ein Bildstreifen vom Übergang einer Truppe mit allerlei LKW untermischt über einen Fluß auf einer Holzbrücke, vom Flugzeug ganz tief aufgenommen, sein, so trottete ich allein hinter der Kompanie, da ich grade ein paar Aufnahmen machte. Die Stadt macht keinen dollen Eindruck, meist eingeschossige Häuser mit vernachlässigten Fassaden, in der Hauptstraße hohe Geschäftshäuser, die Läden aber meist total ausgebrannt. Die vorhandene Bevölkerung oft elend, im Gegensatz zur Landbevölkerung, u. ärmlich und die Frauen meist schrecklich geschmacklos gekleidet; jämmerliches Schuhwerk.
Vorgestern hatte ich Wache beim Batl.; es liegt in einem botanischen Lehrinstitut mit kleinem bot. Garten; auch dort alles präzis vernichtet bzw. unbrauchbar gemacht; viele Mikroskope, aber aus allen die Optik heraus; der Boden mit mikrosk. Präparaten, Präparierlupen, Büchern, Gläsern, Anschauungstafeln, wertvollen Apparaten bedeckt, ein Chaos, das mir mehr als vieles andere ins Herz schnitt; ein paar Optiken waren noch gefunden worden und so habe ich fleißig mikroskopiert und mir eine kleine Auslese botanischer Präparate unter den Nagel gerissen; ein Mikroskop-Stativ ist leider zu schwer zum wegfinden. Übrigens das Gerät und Anschauungsmaterial meist russisch, nur gelegentlich deutsch; als Kopfkissenunterlage nahm ich den Stoß Papilionaceen aus dem Herbar, da er die richtige Dicke hatte. Dann entdeckte ich noch eine ganz ordentliche Mineralien-Sammlung, die allerdings schon etwas durchgewühlt war! Das Weitere kannst Du Dir denken! Wir stehen hier - im Gegensatz zur Zivilbevölkerung - sehr gut und reichlich im Futter; gestern machte ich mir zusätzlich noch einen Stoß Kartoffelpuffer mit Sonnenblumenöl.
Gestern kam endlich mal ein Film von der Agfa, leider nicht der fällige, hoffentlich ist der nicht verloren gegangen. Ich glaube, ich werde ihn Dir rüberschicken. Von Mutti habe ich nichts gehört; hoffentlich geht es ihr gut. Von der Muttel bekam ich gestern ein Päckchen mit Backobst, Bonbons u. Limonadentabletten; ich danke ihr herzlich dafür. Von Gerti Maus mehrere Knabberpäckchen. Bitte schicke mir nicht mehr die blauen Traubenzuckerpäckchen oder die B-Tabletten; der ganze Schrank steht voll. Von Dir kamen - last not least - auch noch 2 oder 3 Päckchen; es war mal wieder wie ein Geburtstagstisch. - Das einzige, was hier stört, sind die Wanzen; sie ziehen einem fast das Bett unterm Leibe weg; Petroleum u. Lötlampe haben noch nicht helfen können. - Es tut mir leid, daß Du ausgerechnet immer so spät Post bekommst; das muß dann wohl am „Postamt“ Wepritz liegen. -
Schade, daß die 2 Filme nicht ordentlich geworden sind; sind beide in allen Bildern zu blaß? Sowas mußt Du haargenau schreiben, sonst werde ich mit Filmen tückisch! Ob Du inzwischen schon bei dem Gauner Herrle warst? Hoffentlich war er da; dann wird ja wohl alles in Ordnung gehen. - Das Kriegsrätselbüchlein habe ich nicht mit; es muß zu Hause sein, vielleicht irgendwo ganz am Anfang oder Ende im Bücherschrank oder Regal; das andere ist wohl bei den Büchern, die ich auf dem Bodenraum gestellt habe. Letzhin schrieben Krause und Sitz, vorher Herbert, offenbar auf Mahnung von Dir hin. -
Ob es das 180 RM-Mikroskop noch gibt?! - ich spare eifrig weiter!
Bitte schicke mir eine kleine Schere mit, falls Du sie bekommst; ferner brauche ich immer Briefumschläge und eine kleine Tube Klebstoff. Das „Reich“ hebst Du mir doch immer im Ganzen auf, nicht wahr?!
Liebe Grüße auch allen Stuttgartern Dein Hellmuth

Grüß mir besonders den Dicken schön: er ist hoffentlich ein liebes Kind gewesen und hat sich nett im Kindergarten getummelt

 

 



Ansicht des Briefes

 

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