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Brief (Transkript)

Hellmuth H. an seine Familie am 11.09.1940 (3.2002.7139)

 

Kalisch, den 11.9.40.



M.l.B!

Wir sind jetzt auf dem Marsche, aber der Marsch macht sich insofern sehr nett, als wir immer nur einen kleinen Teil der Strecke marschieren, das übrige mit LKW fahren. Auch gibt es meist nette Privatquartiere; gestern bei einem Webereibesitzer, wo ich gleich eine Kleinigkeit erwarb: eine kleine Tischdecke, tiefrot-gold, ein schweres Stück, wie es als Altartuch hergestellt wird; ich denke, es paßt gut zu unseren Sachen, vielleicht fürs Radiotischchen. Außerdem bekam ich einen Binder geschenkt; beides schickte ich gestern im Päckchen an Dich; den Preis der Decke (Selbstkostenpreis) sollst Du raten. Solltest Du Bedarf an Wachstuch, graublaue Farbe, ca. 1,20 breit, das m 6,80 RM haben, so schreibe wir; da kann ich es bestellen. Übrigens kannst Du mir mal wieder kleinere Scheine einpacken in die Briefe; zwar habe ich noch Geld, aber vielleicht gibt es wieder mal was zu schicken. -
Hoffentlich habt Ihr in Landsberg jetzt nicht Fliegeralarm; in Bln muß das jetzt übel sein; ich denke aber, es wird nicht mehr lange dauern. Hoffentlich passiert Mutti nichts; ich denke da weniger an eine Bombe als an die Anstrengungen der Alarme, die allgemeine Nervosität des Tagesverkehrs usw. Verwarne Rainer wegen der Brandplättchen, Phosphornekose ist sehr schmerzhaft. Was macht das „blaue Licht“?
Gestern im Quartier habe ich einem entzückenden Mädel eine Deutschstunde mit Diktat gegeben; zu Deiner Beruhigung, es war erst 11 Jahr. Schade, daß ich nicht nach Litzmannstadt mehr gekommen bin, das Judenviertel muß da gigantisch sein; die Hauptstraße führt quer durch, aber die Juden überqueren sie auf Holzbrücken für jedesmal 10 Pf; auf 14000 Kinder unter 14 Jahren sollen ganze 7 Milchkühe sein; die Sterblichkeit ist so hoch und der Nachwuchs so gering, daß in 10 Jahren nichts mehr leben wird. Es wird hier überhaupt, auch mit den Polen, mit den Menschen umgesprungen, wie wir es in Altreich nicht kennen, wahrhaft „britische“ Methoden, aber ohne Zweifel im Augenblick erfolgreich und nicht zu missen.
Schreibe recht oft, wenn auch kurz, damit ich weiß, daß bei Euch alles in Ordnung ist; ich habe von Mutti seit unserem Besuch nichts gehört.
Herzlich Dein Hellmuth.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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