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Brief (Transkript)

Hellmuth H. an seine Familie am 13.06.1940 (3.2002.7139)

 

13.6.40



M.l.B!

Da ich heute, scheint’s, etwas Zeit habe, ein kleines Stimmungsbild: Wir sitzen am südlichen Hang der Marne westlich Epernay. Letzte Nacht sind wir bei Artilleriefeuer, aber sonst keiner ernstlichen Belästigung in Schlauchbooten über die Marne gegangen, haben von 1 - 3 im Dreck auf der Wiese gelegen, dann ein Dorf gesäubert, dabei einige Franzmänner geschnappt, noch ein bißchen in die Häuser nach leichtverdaulichem geschaut; jetzt auf dem Weg zum nächsten Dorf östlich, mit Baumschützenunterbrechung, das, nachdem unsere Nachbarkompanie dort hereinkam, prompt von der eigenen Artillerie unter Feuer genommen wird; sowas kommt hier - wie seinerzeit in Polen - öfter vor, da ja gar keine richtige Front existiert noch einzelne MG-Nester, Baumschützen usw. eingestreut sind (unsere Artillerie manchmal vor der Artillerie liegt).
Das Tempo des Vormarsches ist hinreißend und läßt den Franzosen nicht mehr zum Stehen kommen, wenn er auch nicht ganz kampflos zurückgeht; na, in den nächsten Tagen muß es sich entscheiden, ob er sich zu einem letzten Widerstand aufrafft, vielleicht vor Paris, oder ob er ganz kapituliert. Wir sitzen also hier in kleinem Haufen, haben von einem frz. Verpflegungswagen Sardinen, Fleischbüchsen und Schnaps ausreichend besorgt, rechts hauen die deutschen Artillerieeinschläge ins Dorf, vor uns das anmutige, rebenreiche Marnetal, links unsere MGs, die sich ab und zu irgendwo in die Wolle bekommen, nach hinten zum Wald gute Beobachtung auf Baumschützen. Im übrigen sehen wir schweinemäßig aus und einige mußten schon blaugraue Zivilhosen sich besorgen, da die ihren vom Leib fielen. Wenn man nicht grade an sein Schäfchen schreibt, schläft man, da man ständig Schlaf nachzuholen hat. In der letzten Nacht wurde z.B. auch wieder gar nichts aus der an sich schon vorgesehenen Bettruhe und wir hatten die Betten aus den Häusern umsonst zusammengeschleppt, fast umsonst den Champagner bereitgestellt und den Kognac u.a. von in Deutschland kaum bekannter Qualität. - Sicher ist jetzt wieder viel Post unterwegs; vor einigen Tagen kam wieder ein Farbfilm, aber es fehlen noch welche vorher.
Ich schicke Dir einige Bildchen mit, ebenso einige Kleinigkeiten: 1 Flugblatt, 1 frz. Feldpostbrief, der zeigt, daß die Frauen der Welt alle gleich denken. Wie sich sonst unser außergewöhnliches Leben abspielt, läßt sich schwer beschreiben, jedenfalls siegt immer der Humor, wenn auch manchmal der grimmige. Grüß die kleine Gesellschaft recht herzlich u. sei selbst herzlich gegrüßt von Deinem Hellmuth.
Jetzt abends geht es unaufhaltsam nach S. z.T. gefahren.

Schicke bitte von jetzt an jede Woche einen Farbfilm. Mein Vorrat neigt sich in Anbetracht der Fülle der Gesichte dem Ende zu.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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