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Brief (Transkript)

Hellmuth H. an seine Familie am 27.03.1940 (3.2002.7139)

 

Ich glaube: Nr. 8.

Leutesheim, 27.3.40.



M.l.B!

Als ich gestern nach Leutesheim kam, lag Deine Karte, die den Empfang der Bilder bestätigte, da; das besänftigte ungemein; sie war übrigens überhaupt nicht abgestempelt. Da scheint mein Brief sehr lange gegangen zusein, wenn Du umgehend geantwortet hast. Also nicht bös sein, wenn der Papa geschimpft hat; Du weißt ja, die Bilder sind mir viel wert. Hoffentlich habt Ihr Ostern gemütlich verlebt und auch so nettes Wetter gehabt wie wir; ich war mit einem Kameraden, da es keinen Fahrurlaub gab, zu Rad und Fuß weg in den näheren Schwarzwald; ein wenig nach dem Motto: Wer sich dabei erholt, ist selbst dran schuld. Genauerer Weg: Am Sonntag mit Rad nach Oberkirch im Renchtal, von da Aufstieg zum Höhenweg nach Allerheiligen, dann über den Roten Schliffkopf (1060m) bis in die Nähe von Zuflucht, zur Nacht in einem noch nicht besetzten Lager der Organisation Todt, wo wir sehr nett aufgenommen wurden. Es werden da im Hochschwarzwald übrigens viele Hochstraßen und auch militärische Anlagen gebaut; ich freue mich schon darauf, wenn Du mich da im Volkswagen durchfährst. Am Montag über Zuflucht am Kniebis vorbei nach Griesbach und Peterstal, zwei Mineralquellenbädern, und wieder in die Höhe zum Moosturm (ca. 900m) und auf einem knifflichen schlecht markierten Höhenweg nach Offenburg. Auf dem Moosturm waren wir am Karfreitag schon auf anderem Wege gewesen. Ich habe gar nicht gedacht, daß der Schwarzwald, im alpinen Sinne „eine Anhäufung gänzlich unbedeutender Mugel“, so schön ist und die Kamera hat wieder fleißig geschafft. Vom Roten Schliffkopf wieder die übliche Aussicht, nur noch der Schwäbische Jura sehr schön und deutlich, sodaß man sogar einzelne Siedlungen an seinem Fuße mit dem Glas erkennen konnte; und nach der anderen Seite immer wieder die Vogesen und das Straßburger Münster, dieses aber mit bloßem Auge nur mit Mühe und keinesfalls photographierbar. Unser Nachtquartier lag übrigens schon auf Württembergischem Boden und auf dem Höhenweg Pforzheim - Basel, dem wir mehrere Kilometer seiner Länge von 320km folgten, erschienen immer wieder die Grenzsteine mit [Skizze: Wappen]. In Griesbach erwarb ich, in Erinnerung an Deine Sucht nach Alkoholika, eine Flasche Kirschlikör (nicht Kirschwasser, das ist zu scharf für Dein zartes Kehlchen); hoffentlich ist sie nicht ausgetrunken, bis ich sie Dir schicken will! Sie kommt direkt vom Erzeuger und ist also schon über Berg und Tal geschleppt. Du siehst daraus, daß es hier noch derlei Dinge gibt und daß es unsinnig ist, mir sowas zu schicken; hebe es auf und verschwende es an Würdige. Inzwischen ist nun Dein liebes Osterpäckchen mit Honigkuchen, Schweizer Schokolade und Wibele angekommen; Du hättest mehr für Euch behalten sollen. -
Am Donnerstag war ich übrigens mal wieder im Film: „Eine Frau nach Maß“, sehr niedlich, wenn auch etwas pikant; ein „biologischer“ Film, da die Pointen durch zwei gleiche Schwestern zustande kamen, von denen aber - o arme Wissenschaft - eine dunkles Haar und die andere blondes hat; auch sonst sind sie verschieden im Wesen, aber wieder auch so ähnlich, daß die eine die andere vortäuschen kann. Heute verzichte (V E R Z I C H T E!) ich, um an Dich schreiben zu können, auf das Dorfkino, das heute läuft und das heute morgen um 3/4 7 Uhr mit der nächsten Steuerzahlung und der nächsten Mütterberatungsstunde ausgeklingelt wurde. Rätselhaft ist mir immer noch, was Du da von Zügen von Berlin nach Landsberg in Deinem letzten Brief geschrieben hast; soll das schon für später sein? Ab 1.4. ist doch aber neuer Fahrplan. Über das Abrücken hier ist es wieder sehr still geworden, manche rechnen bis Mitte Mai, aber das ist ebenso wahrscheinlich wie Mitte April vorläufig. Ein schwerer Schlag wegen des Urlaubs wäre längeres Bleiben hier. Überhaupt hat die jetzige Dienststellung auch ihre Schattenseiten: wahrscheinlich also keinen Urlaub, keine Frontzulage, viel Arbeit, keine Beförderungsmöglichkeit und als Neuestes: Sonntags keinen Fahrurlaub; allerdings weißt Du ja, daß ich mit solchen Schicksalstücken wie der letzteren schon irgendwie fertig werde und eben drum 10% riskiere, um 90, nein 110% zu gewinnen! -
Um den Plattenspieler ist es still bei Dir geworden; das Kleid ist ja eine nützliche und schöne Anschaffung, aber man kann darauf schlecht Schallplatten spielen; aber denke an die Langspielplatte! Zu allem Unglück wird jetzt hier mein Kämmerchen in der Familie gebraucht und ich muß mich nach einem neuen Quartier umsehen. Auch Du hast zum 1.4. Quartiergastwechsel, wenn man so sagen kann; wie lange bist Du allein? Schreibe mir dann bald, wie es geht. Grüße Frl. Ursel herzlich von mir und alles Gute für ihre weitere Zeit. Inzwischen wird mein Paket eintrudeln, an dessen Verpackung Du einen Kursus machen kannst.
Anbei vertraue ich der Post wieder eine Reihe z. T. mir sehr lieber Bilder an und hoffe, daß sie heil ankommen und bald in die Dias schlüpfen; von den mehrfach geknipsten gleichen Bildern suche im Lichtphoto die eindrucksvollsten heraus. Zur Bestätigung der Ankunft beiliegende Karte.
Du schreibst übrigens am 23.3. (Brief Nr. 11): „Aber Du hast ja schon gestern ein Brieflein bekommen“; das wäre der erste Brief, den ich nicht bekommen habe, da die Post vorher eine Karte vom 19. und ein Brief vom 17. ist (Nr.9). Geht die Karte als Nr. 10 oder ist da ein Brief dazwischen? Feldpost oder Reichspost? Welche Anschrift? Deshalb heute Einschreiben.
Vergiß nicht, die Messingsachen abzugeben und laß Dir das Diplom dann geben.
So nun Schluß und schreibe nochmal den Brief Nr.10.
Herzlichst Dein Hellmuth.
Heute aß ich Löwenzahn-Salat; ich hielt das Zeug bisher für giftig; es ist mir aber sehr gut bekommen und schmeckte auch recht gut!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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