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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Verwandten am 05.10.1917 (3.2012.2822)

 

den 5.10. 1917.


Stempel 6.10. “
empf. 12.10. abends
beantw:

Meine lieben Aschleuten!
Zu meiner grossen Freude erhielt ich heute Grossvatis liebe Karte vom 26. 9. 17., für die ich ihm herzlich danke. Merkwürdigerweise trug sie einen roten Stempel: „Angabe O s t e n unzulässig“ und einen zweiten Stempel „Zurück“. Es ist also vielleicht sicherer, wenn ihr nur oben darüber schreibt „Deutsche Feldpost“ und dann meine gewöhnliche Anschrift. Übrigens muß ich Euch um Entschuldigung bitten, daß ich mit der Schreibmaschine schreibe. Ich habe sie gerade auf meinem Arbeitstisch stehen und ich willmich ganz gerne ein bisschen im Maschinenschreiben üben, das gibt ein wenig Abwechslung in das einförmige Dasein des Feldlebens. Ich kann mich hier allerdings nicht über ein langweiliges Leben beklagen. Jeder Tag fast lässt mich neue Menschen kennen lernen, neue Gegenden, und auch der Geschäftsbetrieb bringt immer allerlei Kurzweil, interessante Schreiben und langweilige, komische , lächerliche, traurige und erfreuliche in buntem WEchsel nacheinander. Seit einigen Tagen ist der richtige Adjutant wider da, ein Hauptmann R e h m a n n , derselbe, der mich seinerzeit beim Offiziersaspirantenkurs in Orschweier ausgebildet hat. Ich verstehe mich natürlich glänzend mit ihm und es ist so ein sehr gedeihliches Zusammenarbeiten bei uns. Dass ich mich mit Sr. Exzellenz sehr gut stehe, habe ich euch ja wohl schon geschrieben. Ihr könnt euch denken, dass ich somit hier ein herrliches Leben habe und es mir garnicht besser wünschen könnte.
Um nun gleich auf die Hauptsache zu sprechen zu kommen, so kann ich euch mitteilen, dass es mir mit aller Wahrscheinlichkeit möglich sein wird, euch in Asch zu besuchen. Dienstliche Gründe gegen eine Beurlaubung nach Deutschböhmen bestehen in keiner Weise, nach Wien und Budapest sind schon sehr viele Herrn von uns beurlaubt worden, die während ihres Heimaturlaubs auch ein bisschen von Österreich kennen lernen wollten, nur zum Vergnügen, während ich doch schliesslich alles Recht dazu habe meinem weissen Grossvater und die Aschleuten wieder einmal zu besuchen. Meint Ihr nicht auch?
Wann ich nach Asch kommen werde, weiss ich vorläufig noch nicht. Mit Bestimmtheit kann ich vorläufig nur soviel sagen, dass ich nicht über Eger kommen werde, sondern über Dresden, Reichenbach i/V., Hof. Die Verbindungen durch Mähren und durch Böhmen sind nämlich zuschlecht für eine Urlaubszeit, beu dir jede Minute kostbar ist. Ich fahre hier in Galizien um 12. Uhr Mittags weg und bin am andern Nachmittag um 4 Uhr etwa in Hof. Ich würde dann mit dem Anschlusszug weiterfahren, der, ich glaube, um 522 Nachm. in Asch ankommt. Ob ich Euch vorher noch rechtzeitig benachrichtigen kann, weiss ich jetzt leider auch noch nicht. Die ungefähre Zeit meines Urlaubsbeginns kann ich Euch auf jeden Fall vorher noch schreiben. Es würde ja schliesslich auch nichts schaden, wenn ich eines schönen Nachmittags in der Kochstube im alten Aschleutenhaus erschiene, unangemeldet ! Ihr könnt Euch kaum vorstellen, wie schrecklich ich mich auf meinen Urlaub freue ! Es ist ja schliesslich auch schon eine ziemliche Zeit her, dass ich zum letzten Mal zu Hause war. Mein Freund Johannes kehrt heute von seinem Urlaub zurück. Es war sehr schade, dass wir beide diesmal nicht zusammen fahren konnten, aber schliesslich habe ich die Freude immer noch vor mir. Hoffentlich habe ich zum Urlaub einigermassen anständiges Wetter. Es war die ganze Zeit so herrliches Wetter hier bei uns, dass man beinahe fürchten muss, es mag jetzt eine Zeit lang anhaltenden

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schlechten Wetters kommen. Aber schliesslich soll mir auch das nicht die Freude am Urlaub nehmen; wenn man nur wieder mal bie seinen Lieben zu Hause sein kann, das ist die Hauptsache. Ich werde zuEuch nach Asch wahrscheinlich nur ganz leichtes Handgepäck mitbringen, da ich meinen Koffer der Sicherheit halber in Oderberg gleich nach Frankfurt aufgeben will. Ich habe dann wenigstens auch keine Schwieriigkeiten mit der Verzollung in Asch und auf der Weiterreise in Eger, wenn ich auch nicht glaube, dass man mir als deutschem Offizier an der Grenze Schwierigkeiten machen wird. Ich helfe ja doch auch österreichisches Land verteidigen. - Wo steckt denn eigentlich zur Zeit der Herr Oberleutnant P a n z e r , sonst Vetter Adolf genannt ? Ich habe schon so lange nichts mehr von ihm gehört. Womöglich streift er irgendwo in meiner Nähe herum und ich weiss garnichts davon !
Ihr habt mir auch einmal geschrieben, dass Onkel Gusti eingezogen ist und unter der strengen Ausbildung ziemlich zu leiden hat. Nun habe ich aber leider vergessen, wo er steht. Vielleicht seid Ihr so gut und gebt mir seine Anschrift noch einmal an, ich möchte ihm gerne einmal schreiben und ihm vor allem Trost und Mut zusprechen.
Wo ist eigentlich Lexel Klaubert ? Ich habe beinahe seit einem Jahr nichts mehr über seine kriegerischen Erlebnisse gehört.
Ihr habt gewiss auch die Berichte über die vielen Hindenburgfeiern in Deutschland gelesen. Das ist doch einfach erhebend, dass ein Mann, vorher kaum bekannt, mit einem Mal von seinem Volk vergöttert wird, und wir können beinahe stolz darauf sein, dass wir Zeitgenossen dieses Helden sind. Das unbedingte Vertrauen, das Alle diesem schlich ten Manne entgegen bringen und die Liebe, mit der ein ganzes Volk zu diesem Manne emporschaut, ich glaube, man findet ihresgleichen nicht in der ganzen Weltgeschichte!
Mein bisheriger Kamerad bei der Brigade, Leutnant Schmidt, der richtige Ordonnantoffizier der Brigade, ist vor einigen Tagen auf Urlaub gefahren; deshalb bin ich auch noch hier bei der Brigade. Wenn er von seinem Urlaub zurückkommt, dann werde ich wohl auf Urlaub fahren können, wenn nicht unvorhergesehenes dazwischen kommt. Nach meinem Urlaub würde ich dann wieder zu meinem Bataillon zurückkehren.
Es ist jedoch noch nicht ganz bestimmt, ob Herr Hauptmann Rehmann, d er jetzige Adjutant, dauernd hier bei der Brigade bleiben wird. Wenn er wegkommen sollte, dann wäre es nicht ausgeschpssen, dass mein Kamerad Schmidt Adjutant der Brigade würde, da er zu Anfang nächsten Jahres schon Oberleutnant werden soll, und ich dauernd als Ordonnanzoffizier bei der Brigade bliebe. Aber wie gesagt, es ist überallnoch keine Klarheit und man muss zunächst einmal abwarten, wie sich die Dinge gestalten werden. Mir ist beides gleich recht. Ich fühle mich sehr wohl beim Brigadestab, aber in meinem alten Bataillon unter den vielen lieben Kameraden würde ich mirs um nichts schlechter gehen lassen. Ich freue mich immer wieder, wenn ich mit Sr. Exzellenz durch den Schützengraben gehe und ich treffe irgend einen von meinem alten Kameraden oder Leute meiner Kompagnie. Es geht doch nichts über die Kameradschaft im Felde.
Das schöne Wetter der letzten Zeit habe ich zu vielen wunderschönen Ritten in die nähere und weitere Umgebung ausgenützt. Die grossen Buchenwälder sehen in den herbstlich leuchtenden Farben bezaubernd schön aus und es ist ein wahrer Hochgenuss, so ohne Sorgen durch die schöne Welt zu reiten!
Nun muss ich aber Schluss machen, sonst schimpft mich der Herr Hauptmann noch tüchtig aus, da er schon zu Bett liegt und durch die dünne Wand, die unsere Zimmer trennt, duch das Klappern der Schreibmaschine gestört wird. So laßt es Euch denn weiterhin recht gut ergehen und seid alle 1000mal herzlichst gegrüßt von Eurem Euchliebenden Wolf.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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