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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 10.04.1918 (3.2012.2822)

 

Favr., 10. April 1918.


377.

Meine Lieben!
Die Feldpostverbindungen von der Heimat zu uns sind zur Zeit leider höchst mangelhaft. Für mich besteht noch der Nachteil, daß ich zum II. Batl. versetzt wurde, sodaß meine Post zum I. Batl. läuft und eine Ewigkeit braucht, bis sie mich hier erreicht, da die Kompagnien ja alle weit auseinandergezogen sind. Gestern war plötzlich große Bestürzung: Es kam Befehl, daß der Regimentsstab u. I. u. III. Batl. sich bis heute früh marschbereit zu machen haben. Und wirklich sind sie heute früh schon abgerückt, sie werden um ein oder zwei Tagemärsche von uns verschoben, wir – II. Batl. - bleiben hier. Aber nun dauert es freilich sehr lange, bis mich Post erreichen kann. - Ich bin jetzt Lagerkommandant geworden, da ich von meiner Kompagnie ohnehin fast nichts bei mir habe. Ich schrieb Euch ja, daß meine Leute Wache an Schießbedarf- und Verpflegungsniederlagen stehen und sonst allerlei Kommandos haben, sodaß ich meine Leute jetzt garnicht kennen lernen kann. - Mit meinem Geschäft als Lagerkommandant verhält es sich folgendermaßen: Der Ort und die zahlreichen englischen Barackenlager um den Ort unterstehen dem Ortskommandanten, einem Kavalleriemajor (natürlich Kavallerie!), der ein sehr netter Herr und im wesentlichen Gehaltsempfänger ist. Kommen nun Truppenteile, die Unterkunft haben wollen, so werden die Quartiermacher von dem Schreiber der Ortskommandantur in die Baracke „105“ geschickt. In dieser Baracke wohnen 4 Offiziere, die jeder einen bestimmt abgegrenzten Lagerbereich unter sich haben. Einer dieser Offiziere ist Kompagnieführer der 7. /L. I. R. 56, Panzer mit Namen. Seine sämtlichen 170 Baracken, sie er unter sich hat, sind knüppelvoll belegt. Nun kommt besagter Quartiermacher zu ihm und will nur einen Batl. Stab von 6 Offizieren 30 Telefonisten und 25 Mann, dazu 4 Kompagnien zu je 100 Mann und eine Maschinen Gewehr-Kompagnie unterbringen. Er ist in der glücklichen Lage, in seinem Bereich 3878 Mann u. 1056 Pferde umquartieren zu können, hat aber bereits etwa 4000 Mann u. 1100 Pferde untergebracht. „Wie bringt er die neu einzuquartierenden unter?“ Lösungen dieses Preisrätsels sind einzusenden im 7. Kmp. Landw. Inf. Reg. 56, welche für jede richtige Lösung hohe Prämien zahlt! - So, nun könnt Ihr Euch einen Begriff machen, worum es sich handelt. Nun kommt dazu, daß man z. B. um ½ 6 Morgens (wie heute früh) von einem aufgeregten Herrn herausgeworfen wird, der beteuert, sein ganzes Regiment stünde obdachlos vor der Türe. „Die Ortskommandatur hat mich zu Baracke „105“ geschickt, ich muß unbedingt für 3500 Mann Quartier haben!“ Gut, bis 10 Uhr Nachmittags hat man sie glücklich einquartiert, Punkt ½ 11 kommt ein Artillerieregiment und fährt mit seinen Kanonen vor Baracke „105“ auf, „wir haben ebenso im Dreck gesteckt, wie die Infanterie, geben Sie uns Quartiere!“ - da Alles belegt ist, wird eine Vereinbarung getroffen, daß die Hälfte der Infanterie u. die Hälfte der Artillerie biwakieren. Letztere ist einverstanden, erstere weigert sich entschieden, mit zorngeröteten Köpfen kommen beide zur Baracke 105 gelaufen und rechnen vor, wer mehr in Stellung durchzumachen gehabt hat. „Nur noch 2 Geschütze bringe ich zurück, meine Pferde sind erledigt!“ „Meine Kompagnien sind um 60% dezimiert!“ „Dann brauchen sie auch nicht so viel Platz.“ „Ihre Kannen[?] können auch im Freien übernachten!“ „Sollen meine Pferde Zelte bauen?!“ - Und so geht das hin und her. Ich stehe gelassen dabei, warte das Ende des Sturmes ab u. stelle nach Möglichkeit beide zufrieden. Nur die Ruhe kann es bringen. Meine Kameraden sind schon etwas nervös geworden, ich glaube es recht lange aushalten zu können. Wir haben immer noch scheußlich trübes Wetter, trotzdem tauchten bereits gestern Abend Gerüchte auf von einem großen Schlag bei Lille, worauf wir schon lange gewartet hatten. Das wäre ja großartig, Estaires soll schon erreicht sein! Vielleicht geht es dann in unserer Gegend auch weiter. Ihr habt wohl im Tagesbericht vom engl. Angriff auf Puisieux gelesen. Ich schrieb Euch ja, daß ich 2 mal dort war. Das freut einen natürlich immer besonders, wenn man die aller Welt bekannt gegebenen Orte aus eigener Anschauung kennt. Auf die im Heeresbericht genannten Orte Grivillers, Viefvillers u. Bibucerat[?] sind mir sämtlich wohl bekannt. - Hoffentlich bekommen wir nun bald Sonnenschein.im Artois soll der April trocken, der Mai regnerisch sein. - Nach den jetzigen Aprilverhältnissen muß im Mai eine Sintflut kommen. Nous verrons! 1000 herzliche Grüße von Eurem Kompagnieführer Wolf.
[oben Blatt 2, S. 1: Pfeil auf Logo Y.M.C.A. Auf Briefpapier:] „Young Men Christian Association“

 

 



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