Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 12.10.1917 (3.2012.2822)

 

12. 10 1917.


283.

Meine Lieben!
Pflicht schuldigst hat mich heute früh mein getreuer Nix darauf aufmerksam gemacht, dass der Herr Leutnant heute früh ja gar keine Karte zur Post mitzugeben hätte, worauf ich mir die Augen rieb, mich eienen Schafskopf nannte und schleunigst aus dem Bette sprang, da durchaus keine Zeit mehr zu verlieren war, der vergessene Brief doch nicht mehr geschrieben werden konnte und der Feldpostwagen eben einmal ganz ohne die gewohnte Correspondenz des Leutnants der Reserve Panzer ihren Weg zur Heimat einschlagen musste. Schnell war ich angezogen, die blitzblanken Sporen wurden umgeschnallt und der Stahlhelm noch einmal abgewischt: Heute ist die grosse Besichtigung durch unseren Armeeführer, S. Exzellenz Generaloberst Freiherr von B o e h m – E r m o l l i . Ich rittmit meiner Exzellenz zum Besichtigungsplatz, auf dem schon das ganze zu besichtigende Regiment ( n i c h t L/ 56 ) aufgebaut war in einem grossen auf einer Seite offenen Viereck, die Musik auf dem rechten Flügel. Nach nur dreiviertelstündiger Wartezeit ( das ist ganz aussergewöhnlich für eine Besichtigung, da man sonst meist nicht unter zwei Stunden stehend wartet, bezw. wartend steht! ) kamen die beiden Kutschwagen angefahren mit i h m , unserem Divisionskommandeur und einem ganzen Schock Generalstabsoffizieren und Adjutanten. Er schritt natürlich zuerst auf meine Exzellenz los, gab ihr die Hand und schritt die den Radau der Musik noch mit ihrem „Guten Morgen Eure Exzellenz“ überbrüllende Front der stahlhelmbewaffneten Krieger ab, gefolgt von lauter Generälen, Generalstabsoffizieren und Adjutanten, und ganz hintennach auch noch von einem kleinwinzigen, ob all der „Grösse“ sich furchtbar unscheinbar vorkommendem Ordonnanzoffizierle, das niemand anders als Leutnant der Reserve P a n z e r gewesen sein kann. Ja, dass ic h einmal im Gefolge eines Armeeführerrs die Front eines ganzen Regiments abschreiten würde, das hätte ich mir vor eigentlich recht kurzer Zeit nicht träumen lassen. Ich finde es jedenfalls sehr nett vom „kleenen Molli“, wie wir ihn auch nennen, ( er ist nämlich eine riesig grosse Gestalt ! ), dass er mich gleich nach meiner Ankunft in Galizien besucht hat und mich jetzt kurz bevor ich meinen Urlaub antrete, wieder aufsucht ! Na, wahrscheinlich hat ihn sein Generalstabschef, Generalmajor B a r d o l f , damals im Mai gesagt : „ Exzellennnnz !“ wird er gesagt haben, „Exzellenz, der P a n z e r ist in Galizien!“ „Waaas?“ hat der Boehm-Ermolli gesagt, und die Feder weggelegt und ganz vergessen, dass er die zweite Hälfte seines Namens noch gar nicht geschrieben hatte, und dabei sollte doch der Befehl schonuum 4 Uhr ausgegeben werden und jetzt war es schon halbsechs, „Waaaas?“ Der P a n z e r ist in Galizien? Wissens was, dös ist ja ausgezeichnt, dalassens morgen unser Autl vorfahren, da wolln wir im Allerhöchsten Auftrag seiner Apostolischen Majestät den Panzer besuchen. Meinens nit auch ? „ „Zu b\'fehln, Euer Exzellenz, dös Autl wolln wir schon bestelln!“ Na, und dann haben sie mich ja auch besucht wie Ihr wisst. Generalmajor Bardorf, der übrigens nach der Deutschen Durchbruchschlacht den Pour le merite bekommen hat, muss mich wirklich kennen; Heute nickte er mir erst sehr freundschaftlich zu, als er kam, und nachher gab er mir die Hand und sagte ganz freundschaftlich: „Na, wie geht\'s denn, wir kennen uns doch schon, gelt „ und ich schaute ihn natürlich ebenso freundlich an und gab ihm die Hand. Freilich kannte ich ihn, in der Berliner Illustruierten war ja sein Bild, damals als er den Pour le mérite bekommen hatte. Sonst hatte ich ihn nie gesehen. Ob er mich auch in einer Illustrierten
-2-
abgebildet sah ? - - - - - -
Na, ich werde den Generalmajor Bardorf jedenfalls nie in meinem Leben vergessen. Böhm-Ermolli gab mir zum Abschied auch sehr freundlich die Hand und ich zog sehr vergnügt mit meiner Exzellenz wieder nach Hause.
Morgen fährt Exzellenz auf Urlaub, er kommt erst Mitte November wider , da er anschließend an seinen Urlaub zu einem Gaskursus nach Berlin kommandiert ist. Sein Vertreter für die lange Zeit ist ein steinalter Oberst, der das eine unserer Regimenter führt. Er hält morgen seinen Einzug hier im Brigadestabsquartier, gleichzeitig mit dem neuen Brigade-adjutanten Oberleutnant M ü h e , (aus Freiburg / Br.) der mich beim Kursus in Orschweier auch einmal 8 Tage lang unter der Fuchtel gehabt hat und dessen Weggehen wir damals sehr bedauert haben , da wir bei ihm schon in den ersten acht Tagen sehr viel gelernt haben.
Am nächsten Sonntag haben wir wieder ein grosses Sportfest auf der Festwiese bei R. Ich habe euch glaube ich noch gar nicht von dem Verlauf des letzten Festes erzählt, das doch so wohlgelungen war. Damals waren wir eben durch das herrlichste Wetter begünstigt, so dass von allen Truppenteilen die Leute un hellen Scharen ankamen, soweit sie überhaupt nur von ihrer Stellung abkommen konnten. Der Sportplatz ist eine grosse Waldwiese mit schönem Grasbestand, eben so richtig als Festwiese geeignet. Die Festwiese in den Meistersingern kann sich Richard Wagner nicht schöner vorgestellt haben. In der Mitte der Wiese ist die Offiziersbühne aufgeschlagen, die einen grossartigen Überblick über alle Vorgänge auf der Wiese aus der Vogelschau ermöglicht. Auf der Tribüne ist natürlich nicht die Plebs der ganz gewöhnlichen Leutnants versammelt, sondern nur die hohen Gäste vom Regimentskommandeur aufwärts, höhere Adjutanten und Ordonnanzoffiziere sind darauf zu finden. Sie ist ein rechter Tummelplatz für O r d e n und S t e r n e ( i c h bin nur stellvertretender Ord. Offiz.!) Die einzelnen Abteilungen des Sportfestes waren sehr gelungen. In erster Linie wurden natürlich turnerische Wettkämpfe ausgefochten, Fussballwettspiele fanden statt, Hindernisslaufen, Handgranatenweitwurf, Wettlauf, Dreisprung, wobei ich auch als Schiedsrichter tätig war, und viele andere unterhaltliche Sachen. Aber auch richtiger Jahrmarktzauber fehlte nicht. In der Mitte der Wiese war eine riesige Stange aufgebaut, an deren oberstem Ende ein grosser Kranz hing mit den herrlichsten Dingen, wie Zigarrenkistchen, Flaschen mit Wein, Hosenträger, und andere gute Dinge. Wer sich etwas davon holen wollte, der durfte es tun. Freilich war die Sache durchaus nicht so einfach. Die Stange war riesig glatt und ausserordentlich hoch, so dass es nur den wenigsten gelang, in die Nähe der verlockenden Kranzes zu gelangen. Kam wirklich einer bis ganz hinauf, so wurde er vom ganzen Sportplatz bejubelt und beklatscht. Besonders lustig war es, wenn einer die Hand zum Kranze ausstreckte, sich nicht fest genug klemmte und erbarmungslos unter allgemeinem Gelächter in die Tiefe rutschte. Eine wesensähnliche Vorrichtung war die grosse Walze, die zwischen zwei Achsen leicht beweglich gelagert war und auf der man sich vorsichtig im Gleichgewicht entlang ziehen musste, um zu den Preisen zu gelangen. Eine andere sehr lustige Sache war die Bude mit der verheissungsvollen Aufschrift ! Willsons neuester Bluff ! Amerikanische Gasgranaten“ deren Einrichtung ich einmal mündlich erzählen will. - Ich sehe eben, der Bogen geht zu Ende. Also Schluss für heute! - Alles Gute und tausend herzliche Grüße
Euer Euchl. Wolf.
[?]) Ich gebe den Brief einem der Schreiber mit, der heute auf Urlaub fährt, um sich – zu verloben. Ist das kein glücklicher Mann?!

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top