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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 9.2.1941 (3.2002.0224)

 

Feuerstellung, den 9.2.1941.



Meine liebe Suse!

Gestern bekam ich Deinen ausführlichen Brief vom 5.2.41. Herzlichen Dank! Aber achte in Zukunft doch auf die genaue Anschrift. Nicht Kanonier, sondern Soldat. Im Wiederholungsfalle werde ich unter Umständen dafür bestraft. Das möchte ich auf alle Fälle vermeiden. Die Bezeichnung "Soldat" ist ja im Interesse der Geheimhaltung gewählt; wenn auf der Aufschrift "Kanonier" steht, so kann daraus entnommen werden, dass ich bei der Artillerie oder Flak bin. Anderen Kameraden ist für ähnliche Fälle bereits 3 Tage Arrest angedroht worden. Ich hoffe, dass der Lapsus unbemerkt geblieben ist, es ist aber möglich, dass ich deswegen in den nächsten Tagen zur Schreibstube muss.
Bei Paul brauchst Du in der nächsten Zeit nicht vorzugehen. Ich habe mir die Sache überlegt. Einmal glaube ich kaum, dass ich hier fortgelassen würde. In anderen Fällen hat es auch eine Ewigkeit gedauert, bis derartiges geklappt hatte. Außerdem glaube ich, dass es für mich für später besser ist, wenn ich bei der Truppe bleibe. Aus diesem Grunde habe ich auch noch nicht an Siebken geschrieben. Ich kann auch nicht sagen, dass ich mich hier nicht wohl fühle u. deswegen auf alle Fälle mich fortsehne. Es gefällt mir unter Berücksichtigung der Tatsache dass ich nun mal Kriegssoldat bin, hier ganz gut; besonders meine augenblickliche Tätigkeit sagt mir zu. Von Überanstrengung kann nicht die Rede sein u. die Kälte scheint auch endgültig nachgelassen zu haben. Wenn jemand es versteht, alle beruflichen Angelegenheiten von sich abzuschütteln, wie ich es getan habe, so bedeutet des Soldatsein eine geistige Entspannung von den beruflichen Dingen. Und ich gehe ja immer noch mit dem Gedanken um, mich später einmal im Osten als Notar niederzulassen. Ich glaube nun, dass diejenigen die bei der Truppe gewesen sind denen bevorzugt werden, die nicht Soldat gewesen sind oder die als Kriegsgerichtsräte oder Intendantenräte den Krieg mitgemacht haben. Im übrigen kann ich mir die Sache ja immer noch überlegen und später einen anderen Entschluss fassen. Ich hoffe aber, das das nicht nötig wird; denn nach meiner Meinung geht der Krieg in diesem Jahr zu Ende.
Dass die Segeberger Sachen jetzt so flott erledigt werden ist ja erfreulich. Es wäre schön, wenn ich später möglichst wenig alte Schinken zu übernehmen hätte. Es wäre allerdings wenig erfreulich, wenn Medow auch noch eingezogen würde. Er hat ja so häufig davon gesprochen; ich glaube deshalb auch nicht mehr daran. Mit Deinem Besuch in Altwarmbüchen wird es wohl kaum etwas werden. Ich glaube nicht, dass wir noch lange hier bleiben. Aber das bleibt ja abzuwarten. Bestimmtes weiß natürlich niemand hier.
Heute ist ein ganz ruhiger Sonntag. Es regnet fast den ganzen Tag. Ich muss jetzt eine Zeitlang unterbrechen. Es steigt der Sonntagsnachmittagssport. - Dieser ist inzwischen beendet. Es ist jetzt 8 Uhr abends. Wir wohnen direkt neben der Kantine. Deshalb werden uns Sonntags die meisten Stühle fortgeholt. Die zurückbleibenden Stühle müssen daher abwechselnd benutzt werden. Im Augenblick habe ich mir gerade einen Stuhl geschnappt, um diesen Brief zu Ende zu schreiben. Unsere Bude wird von Tag zu Tag schöner. Es werden immer neue Bilder aufgehängt. Die Bilderrahmen werden eigenhändig hergestellt oder die Bilder erhalten einen schwarzen oder braunen Rand, sodass der Eindruck eines Rahmens in dieser Farbe hervorgerufen wird. Das alles besorgt der Kamerad aus Uelzen, der unglaublich viele Einfälle hat + alles was er sieht, irgendwie für die Bude verwenden kann. Heute wollte er seine Kragen zur Fliegerbluse bügeln. Ein Eisen war natürlich nirgends zu bekommen. Er nahm daher ein Beil und erhitze es im u. auf dem Ofen u. bügelte dann los. Das ging so gut, dass ich mich entschloss, bei meinem Kragen dasselbe Verfahren anzuwenden.
Ich habe heute - wohl weil ich nichts zu tun habe - viel an Euch u. vor allem an Dich gedacht. Du, die schönste Zeit war doch eigentlich die Zeit unseres ersten Zusammenseins in Kiel, als ich damals zuerst zu Euch ins Haus kam u. ich 3 Monate bei der Staatsanwaltschaft in Kiel war. Weißt Du, die Tage, an denen wir zusammen über die Förde fuhren, um nach Strande zu gehen oder von Kitzeberg nach Laboe u. umgekehrt oder das Schwentinetal hinauf oder in die Hanstorfer Tannen, werde ich wohl nie vergessen. Wie jung waren wir damals!
Mit herzlichem Gruß an Euch alle!

 

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