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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 17.2.1942 (3.2002.0224)

 

Im Osten, den 17.2.42.



Meine liebe Suse!

Wir sind seit einigen Tagen wieder in Smolensk, um zu unserer Gefechtsbatterie, bezw. in ihre Nähe bei Gschatsk zurückzukehren. Wir wissen im Augenblick aber nicht, wie wir weiterkommen sollen, da man uns keine Fahrzeuge zur Verfügung stellt. Da keiner recht weiß, was wir dort überhaupt sollen, ­es scheint eine dumme Laune des Abteilungskommandeurs zu sein, dem unsere Batterie z. Zt. unterstellt ist -, warten wir erst mal in aller Ruhe ab. Den meisten ist es ganz recht so, und auch wir hätten gegen einen längeren Aufenthalt hier nichts einzuwenden, wenn wir nur ein bisschen netteres Quartier hätten. Das einzige, was darin vorteilhaft ist, sind die Betten und die Tatsache, dass es nachts warm ist, sodass wir nicht zu frieren brauchen. Meist ist es dort unbeschreiblich dreckig und es stinkt undefinierbar nach allem Möglichen; die Hühner hausen unter dem Ofen, im Zimmer nebenan sind ewig quakende Kinder, die stets dreckig und unterernährt sind. Quartiere dieser Art gibt es hier viel. Eine Beschreibung im einzelnen will ich mir ersparen. Bei der ewigen Kälte und dem vielen Dreck, den man hier zu sehen bekommt, sammelt sich allmählich ein großer Hass in jedem Soldatenherz gegen alles Russische, sodass es nur verständlich ist, wenn die Soldaten vorne an der Front auch gegen die Zivilbevölkerung mitunter in Formen vorgehen, die ich früher im zivilen Leben verurteilt haben würde. Je länger man hier ist, desto rücksichtsloser wird man. Und das mit Recht! Vor einigen Tagen erhielt ich Deinen Brief vom 17.1., über den ich mich sehr gefreut habe. Meinen herzlichsten Dank! Du klagst darüber, dass Du so wenig von mir hörst. Das wird inzwischen, wenn dieser Brief eintrifft, anders geworden sein. Denn gerade während der Periode des Rückmarsches vom 10.12. bis kurz vor Weihnachten wird es mit der Beförderung der Feldpost schlecht gewesen sein und auch später hatten wir sehr häufig heftige Schneestürme, sodass die Fahrzeuge nur schwer durchkommen konnten. Im übrigen habe ich ja auch über 4 Wochen lang vergeblich auf Post gewartet, sodass es mir ähnlich ergangen ist. Unsere Post liegt übrigens in ganz großen Haufen in Smolensk. Jeden Tag ist ein Fahrzeug der Abteilung hier, um unsere Post auszusortieren. Es soll eine tolle Arbeit sein, und die Ausbeute beträgt häufig nur 1 1/2 - 1 Sack am Tage für die ganze Abteilung. Allmählich müssen wir aber auf diese Weise ja zu unserer noch ausstehenden Post kommen. - Es wird hier jetzt langsam wärmer. Temperaturen von 40° Kälte gibt es jetzt nicht mehr, wenngleich heute Nacht sicherlich auch wieder 25° gewesen sind. Es dauert keine 2 Wochen mehr, dann haben wir März, und wir hoffen dann auf die ersten Zeichen des kommenden Frühlings - Dein letzter Brief mit Deinen Schilderungen über Jutta Knauer und die übrigens recht treffende Zeichnung über sie von Peter ließ in mir die Kinder und ihr Tun besonders lebendig scheinen. Du glaubst gar nicht, wie sehr wir uns häufig nach Hause sehnen, allein um schon wieder einmal saubere Kinder, deutsche Frauen, eine deutsche Küche und Wohnung zu sehen. Wenn ich mal 14 Tage Urlaub bekäme, so würde ich mich erst mal in die Badewanne stürzen, saubere Wäsche anziehen und essen, was Du alles für mich aufgespart hast. Ihr habt ja keine Ahnung, welch Verlangen wir nach Obst, nach Kuchen, Gemüse usw. haben. Wer das Leben hier im Osten nun schon 8 Monate lang nicht mitgemacht hat, kann sich davon keine Vorstellung machen. Wochenschauen und Frontberichte, die Euch in der Heimat vorgesetzt werden, geben Euch ein völlig falsches Bild. Es sind immer nur Berichte über Einzelgeschehen, die gar zu leicht verallgemeinert werden. Es besteht daher beim Landser dagegen auch eine allgemeine Ablehnung. Sehr wenig beliebt sind daher auch Redewendungen wie "Aus den Wochenschauen und Frontberichten sahen wir" usw. Wer die Wochenschauen gesehen und die Frontberichte gehört hat, weiß vielleicht über den Verlauf einer Kampfhandlung Bescheid, aber über das Leben der Soldaten in Russland weiß er noch gar nichts. - Im übrigen geht es uns jetzt gesundheitlich wieder etwas besser. Meine Magenbeschwerden bin ich los und ich hoffe, in wenigen Tagen wieder völlig frisch zu sein. - Von dem Radio, den ich meinen Eltern geschenkt habe, habe ich nie wieder etwas gehört. Ich weiß nur, dass er zur Fabrik zurückgegangen ist. - Ich hoffe, dass es Euch allen gut geht und grüße Euch alle aufs herzlichste!
Dein Klaus

Briefpapier und Umschläge gehen mir mit dem heutigen Tage aus. In Zukunft kann ich vorläufig nur
Postkarten schreiben.
Klaus

 

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