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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 24.12.1941 (3.2002.0224)

 

Im Osten, den 24.12.41.



Meine liebe Suse!

Heute ist Weihnachtsabend, und ich sitze weit ab von Euch im fernen Russland. Wer hätte das im Sommer noch für möglich gehalten! Wir haben uns über die Widerstandskraft der Russen doch alle mehr oder weniger getäuscht. Gerade in letzter Zeit ist es, wie Du aus den Wehrmachtsberichten entnommen haben wirst, wieder recht aktiv geworden, und es wird noch großer Anstrengungen bedürfen, um den Russen niederzuwerfen. Aus diesem Grunde glaube ich weder an ein Herausziehen unserer Abteilung aus Russland noch an einen allgemeinen Urlaub, der den Russlandkämpfer, während des Winters gegeben werden kann. Denn wichtiger als Urlaub des einzelnen ist ja die Sicherstellung der Truppe mit Verpflegung, Munition, Brennstoff, Bekleidung usw. Deswegen rechne nicht allzu sehr damit, dass ich mal auf Urlaub komme. Umso größer wird dann ja die Ungeduld. Wir gehören nun einmal der Generation ein, die alles Schwere mit durchzukämpfen hat, damit unsere Kinder es einmal besser haben und auch politisch ruhigere Tage sehen als wir sie erlebt haben. Nach dem Frankreichfeldzug habe ich manchmal das Gefühl gehabt, dass uns die militärischen Erfolge zu leicht in den Schoß gefallen seien und dass das für uns als Nation nicht gut sein würde; ich fürchtete, das würde zu einer gewissen Gleichgültigkeit führen und unsere errungene Stellung aufs neue gefährden können. Jetzt haben wir den schweren Kampf, ohne den eine Stellung, wie wir sie erstreben, nicht errungen werden kann. Schwer sind die Opfer, aber der endgültige große Erfolg wird nicht ausbleiben. Davon bin ich mehr denn je überzeugt.
In den Abendstunden dieser Tage denke ich doch mit einer gewissen Wehmut an Euch alle. Was Weihnachten bedeutet, empfindet man doch erst richtig, wenn man Frau und Kinder zu Hause hat. Wie gern denke ich daran, wie die Kinder schon Tage im voraus aufgeregt waren und besonders kurz vor der Bescherung; wie sie dann den Tannebaum zunächst anstaunten und sich danach mit Inbrunst auf ihre Sachen stürzten und alles nachher begeistert zeigten. Wie schön war es immer bei uns, wenn wir uns nachher ins Wohnzimmer setzten und uns ganz beschaulich in eines der erhaltenen Bücher versenkten oder in den ersten Jahren unserer Ehe noch zu Frau Wäser gingen und fröhlich bei einem Glase Wein saßen. Das alles entbehre ich natürlich in diesem Jahre sehr. Was hilft es da, dass wir sogar einen Tannenbaum haben werden und auch sonst wohl ganz gut mit Schokolade, Zigarren usw. beschert werden. Man empfindet den Gegensatz nur umso mehr und die Sehnsucht zu Euch wird größer. Aber was hilft es alles. Sehr viele haben es sehr viel schlechter als wir. Denn wir sind noch immer beim Stabe und merken von den eigentlichen Kämpfen wenig. Die Front mag von uns 20 - 30
km entfernt sein. Warm ist es in unserer Bude auch und etwas mehr Platz haben wir jetzt auch, sodass wir hier nichts ausstehen. Die Kälte hat in den letzten Tagen nachgelassen. Dafür ist sehr viel Schnee gefallen. Die Temperaturen schwanken auch hier sehr. An einem Tage haben wir 30° Kälte und am nächsten Tage nur 5 - 6°. Nur Tauwetter tritt hier nicht mehr ein. Der gesamte Schnee bleibt also liegen. - Vorgestern erhielt ich Deinen Brief vom 4.11. und ein Päckchen mit Plättchen und eines mit Lichtern. Das eine war am 2.9. abgestempelt also fast 1/4 Jahr unterwegs gewesen. Die Kuchen schmeckten recht nach Benzin. Ich habe sie trotzdem gegessen und sie haben mir auch gar nicht so schlecht geschmeckt. Meinen herzlichsten Dank für alles! Von Mutter aus Elskop erhielt ich ein Packet Tabak. Es geht ihnen den Umständen nach Gott sei Dank ganz gut.
Nun seid alle aufs herzlichste gegrüßt. Ich denke stets an Euch!
Dein Klaus

 

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