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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 14.7.1941 (3.2002.0224)

 

Russland, den 14.7.1941.



Meine liebe Suse!

Es ist wieder morgens früh. Ich bin um 3 Uhr zur Funkwache geweckt worden. Auch gestern morgen musste ich um die gleiche Zeit aufstehen. Es gibt also wenig Schlaf. Am Tage ist es hier so heiß, dass man kaum schlafen kann. Merkwürdigerweise haben sich auch hier nun Mücken eingestellt, die einen nachts quälen. Es ist aber nicht so schlimm, wie in der vorigen Stellung. Nachher geht es wieder 50 km weiter vorwärts an die Dwina zum Schutze des Flussüberganges. Wo die Dwina liegt, ob sie ein Nebenfluss der Düna ist oder ob die Düna dort nur einen anderen Namen hat, weiß ich nicht. Wir haben leider keine größere Karte privat zur Verfügung. Gestern sah ich zum 1. Male russ. Gefangene in größerer Zahl. Es ist hier ein Gefangenenlager in der Nähe. Sie müssen tagsüber die Straße hier ausbessern, die stellenweise kaputt geworfen ist. Man sieht bei ihnen häufig asiatische Gesichter. Dabei sollen die eigentl. Asiaten im Lager bleiben, weil man ihnen wohl nicht recht traut. Sie machen im allgemeinen einen erschöpften Eindruck. Die Straße, an der wir jetzt liegen, ist für russ. Verhältnisse gut. Sie ist mit groben Steinen gepflastert, etwa wie die Oldesloer Straße. Schlaglöcher oder Querrinnen gibt es eigentlich nur bei den Brücken, dort allerdings fast jedes Mal, dann natürlich auch dort, wo Bomben und Granaten die Straße aufgerissen hatten. Kurz hinter diesem Ort soll die Straße aber wieder aufhören. Dann kommen die unvorstellbaren Landwege wieder. Du kannst Dir kaum vorstellen, wie schwierig dort das Vorwärtskommen ist. Wer das nicht selbst miterlebt, glaubt es nicht. In den letzten Tagen haben wir hier wieder einen gewaltigen Aufmarsch erlebt. Tag und Nacht war die Straße belebt von vorfahrenden Fahrzeugen u. vormarschierenden Kolonnen. Die Ju 52 hat offenbar auch viel Nachschub nach vorn geschleppt. So wird der Russe es nicht mehr lange mitmachen können. Vater und Mutter haben in den nächsten Tagen Geburtstag, Mutter am 15. u. Vater am 18. Juli. Ich habe ihnen dazu einen längeren Brief geschrieben. Auch an Deine Eltern schrieb ich u. an Legatzki. Ich habe sonst wenig Lust, viel zu schreiben. Das bringt so die ewige Unruhe mit sich. Die Spritzenstellung ist in einem kleinen Dorf untergebracht. Hier sehe ich zum 1. Male sehr gepflegte Gemüsegärten u. auch gutes Korn. Vieh scheinen die Bauern aber auch hier kaum zu haben. Denn auf der ganzen Feldmark habe ich noch keine einzige Kuh gesehen. Die Bevölkerung soll hier zunächst sehr scheu gewesen sein u. sich in den Häusern verborgen gehalten haben. Durch Rundfunk soll ihnen gesagt sein, dass sie alle von deutschen Soldaten umgebracht würden. Umso zutraulicher sind sie jetzt, wo sie die gegenteilige Feststellung gemacht haben. Zu kaufen gibt es aber auch hier nichts; auch nicht in der ganz in der Nähe liegenden Stadt.
Wie lange wir hier noch benötigt werden, lässt sich nicht sagen. Vielleicht machen wir noch die Siegesparade in Moskau mit. Ich denke, wir werden am Ende des Monats dort sein.
Mit den herzlichsten Grüßen auch an die Kinder!

Dein Klaus

 

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