Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 27.4.1942 (3.2002.0224)

 

Russland, den 27.4.42.



Meine liebe Suse!

Heute bekam ich Deinen Brief vom 19.4.42. Meinen herzlichsten Dank! Ich habe mich sehr darüber gefreut. Ich wollte heute abend eigentlich Deinem Vater schreiben. Ich weiß aber nicht, ob ich mich dann noch für einen Brief an Dich genügend konzentrieren kann. Deswegen schreibe ich Dir lieber zuerst und stelle den Brief an Deinen Vater noch einige Tage zurück. Du schreibst von dem schönen Frühlingswetter bei Euch. Auch wir hatten hier gestern einen sehr schönen sonnigen Sonntag. Aber nachts wurde es schon wieder sehr kalt und blieb es auch heute den ganzen Tag. Ich sitze hier im Augenblick mit einer Decke um die Knie, obgleich der Ofen den ganzen Tag über gut geheizt worden ist und auch jetzt noch ein tüchtiges Feuer darin ist. Der Winter kann sich von uns eben noch nicht trennen. Auch der letzte Schnee ist noch nicht ganz weg. Die Wintersaat bekommt einen schwachen grünlichen Schimmer; das ist alles, was wir bisher vom Frühling merken. Wir müssen daher noch immer sehr hinter Brennholz her sein, das hier sehr knapp ist. Geliefert wird nichts, Zäune zum Abbrechen gibt es hier nicht, da wir etwa ½ Stunde von der Stadt und außerhalb einer Ortschaft liegen. Wir suchen daher altes Abfallholz und grünes Holz zusammen, das zwar nicht besonders brennt, aber bei gehöriger Wartung des Ofens auch seine Wärme erzeugt. Aber ich sehe schon, dass auch davon nichts mehr da ist. Wir werden dann wohl frieren müssen. Das ist wegen der Nachtdienste unangenehm. Wir sind z.Zt. hier nur zu vieren und kommen daher jede 2. Nacht mit Nachtdienst dran - Sonst passiert hier nichts Neues. Es ist hier recht ruhig. Ich könnte hin und wieder einmal in die Stadt fahren. Aber der Anblick ist so trostlos, dass man gern auf solch eine Abwechslung verzichtet. Auch Smolensk ist doch vom Kriege so arg mitgenommen, wie man sich das nur schwer vorstellen kann. Allein Witebsk war von den größeren Städten, die ich hier gesehen habe, noch ärger mitgenommen. Dort stand wohl kaum noch eine einziges Haus auf der linken Dünaseite. Es fährt auch jeden Abend 1 Wagen ins Kino, und ich hätte schon wiederholt mitfahren können. Aber auch das reizt mich z.Zt. wenig. Ich muss wohl erst einmal den langen Winter verdauen. Langsam erholt sich die Batterie von den Folgen des Winters. Das Aussehen der Kameraden wird zusehends besser. Eifrig besprochen wird nach wie vor die Urlaubsfrage. Wir hoffen doch, alle im Laufe des Sommers einmal zu Hause sein zu können, Es heißt, dass von oben besonders darauf gedrängt wird. Also den Daumen halten! Es soll von der Grenze an 20 Tage geben. Gestern hörten wir die Führerrede. Leider war die Übertragung etwas gestört. Ich werde sie gelegentlich noch einmal aufmerksam nachstudieren. Aber es ist schon richtig, dass nur derjenige sich eine Vorstellung von der Gewalt, Härte, Dauer und lähmenden Wirkung des Winters machen kann, der ihn am eigenen Leibe verspürt hat. Ich denke dabei besonders an unsere Fahrten mit dem Wagen und mit Schlitten, wo wir nachts im Schneesturm auf der Landstraße stecken blieben und erst nach langem Arbeiten ins nächste Dorf kamen. So etwas vergisst man nie! Im übrigen habe ich aus der Rede herausgehört, dass wir für einen 2. Winter bessert gerüstet sein werden. Die Aussichten eines 2. Winterfeldzuges können uns aber schon nicht mehr erschüttern. Es ist gut, wenn man innerlich darauf rechtzeitig vorbereitet wird. Wenn die Batterie Ende September noch nicht aus Russland herausgezogen ist, so sehe ich sie schon rücksichtslos Filzstiefel, Pelzmützen, Pelzhandschuhe, Felle usw. organisieren. Der Winter hat uns wacher, aber auch rücksichtsloser gemacht. Aber vorläufig ist es noch nicht so weit, und wir haben noch erst einen heißen Sommer vor uns, der uns hoffentlich auch den ersehnten Urlaub bringt. Ich hoffe, dass es Euch allen gut geht, und grüße Euch alle aufs herzlichste!

Dein Klaus

 

top