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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 20.5.1941 (3.2002.0224)

 

Feuerstellung, den 20.5.41.



Meine liebe Suse!

Heute abend sitze ich als Telefonposten in der Schreibstube von abends um 6 Uhr bis morgens früh 8 Uhr; d. h. ich kann mich nachher schlafen legen, muss aber etwa ankommende Gespräche entgegennehmen und in dringenden Fällen weiterleiten. Das ist günstig. Ich werde die Gelegenheit benutzen, um Dir ausführlich zu schreiben, zumal in wenigen Tagen unser 10-jähriger Hochzeitstag ist.
Wenn ich auf die Zeit unserer 10-jährigen Ehe zurückblicke, so kann ich für meinen Teil behaupten, dass all meine hoffnungsfrohen Erwartungen, die ich an unserem Hochzeitstage hatte, in Erfüllung gegangen sind. Das führe ich nicht zuletzt darauf zurück, dass ich das Glück hatte, Dich kennen zu lernen und zu meiner Frau zu machen. Allein schon die Tatsache, dass wir unsere 3 Kinder haben und dass wir solche Kinder haben, wie sie nun einmal sind, könnte mir genügen, um unsere Ehe als Erfüllung erscheinen zu lassen. Was Du mir darüber hinaus gewesen bist, lässt sich in Worten nicht ausdrücken. Das brauche ich auch nicht, denn Du weißt es selber. Es möge genügen, wenn ich Dir folgendes sage: Hätte ich noch einmal die Wahl, so würde ich auch heute Dich wieder zu meiner Frau erwählen. Ich glaube, ein Mann kann über eine Ehe kein besseres Urteil abgeben. Ich hoffe nur, dass ich bei einer Betrachtung unserer Ehe durch Dich nicht sehr viel schlechter wegkomme. Ich weiß, dass nicht alle Erwartungen, die Du als junge Braut in unsere Ehe gesetzt hast, in Erfüllung gegangen sind. Der Ehealltag sieht nun einmal anders aus, als eine junge Braut ihn sich erträumt. Hinzu kommen die Schwächen der Männer, von denen, wie ich weiß, auch nicht frei bin. Ich hoffe aber trotzdem, auch heute noch vor Dir bestehen zu können, und wünsche mir nur, dass wir weiter in so gutem Einverständnis mit einander und Verständnis für einander die nächsten 10 Jahre verleben werden.
Wenn ich an unsere Kinder denke, so liegt mir, so merkwürdig es Dir scheinen mag, Susanne am meisten am Herzen. Du hast früher, als Peter 2 - 3 Jahre alt war, häufig gesagt, ich hätte Peter ihr vorgezogen. Das wird damals so gewesen sein. Aber schon seit langem ist sie doch mein Liebling unter den Kindern. Ihre Art sagt mir wohl am meisten zu, vielleicht erinnert sie mich von den Kindern am meisten an meine Mutter. Die beiden übrigen werden dabei nicht zu kurz kommen. Du weißt, wie sehr ich jedes unsere Kinder liebe.
Inzwischen sind die Briefe vom 8. u. 10.5. - der eine mit 10 RM - bei mir eingetroffen. Herzlichen Dank! Auch über die Briefe und Karten der Kinder habe ich mich sehr gefreut. Uwe war auf kurze Zeit vorige Woche mit mir zusammen; wir haben ein Glas Bier getrunken und etwas zusammen gegessen. Das schrieb ich Dir übrigens schon, wie mir jetzt einfällt. Am Sonntag vormittag kam er noch einmal vorgefahren, um sich von mir zu verabschieden. Er ist mit seiner Batterie nach Berlin gekommen. Was aus uns wird, wissen wir immer noch nicht. In letzter Zeit wurde so viel davon erzählt, dass mit Differenzen mit Russland gerechnet würde. Was Wahres daran ist, kann ich nicht beurteilen. Auch Uwe munkelte Ähnliches. Heute hörte ich von verschiedenen Seiten, dass diese Differenzen mittlerweile beigelegt seien, dass unsere Truppen aus dem Osten zurückgezogen würden und dass wir das Durchmarschrecht durch Russland und die Türkei zugestanden erhalten hätten. Dafür soll Polen angeblich an Russland fallen oder jedenfalls doch Teile davon. Ich halte das durchaus für möglich und auch für wünschenswert. Dann wäre der Engländer doch auch über Syrien zu fassen und dem Irak könnte wirkliche Hilfe geleistet werden.
Endlich wird es hier auch Frühling. Besonders schön war der Sonntag. Ich habe den ganzen Mittag draußen in der Sonne gelegen. Gestern und heute morgen war es wieder regnerisch. Doch heute nachmittag kam die Sonne wieder warm durch, sodass es richtig gesunde Treibhausluft ist. Das ist sehr gut für uns. Dann ist es nachts wenigstens nicht so kalt. Dienst wird unter den augenblicklichen Verhältnissen natürlich nicht sehr viel gemacht. Wir machen täglich wie bisher nachmittags unsere Funkübungen. Morgens ist aber nichts Besonderes zu tun. Die Zeit muss dann mit mehr oder weniger nutzbringenden Arbeiten totgeschlagen werden. Unsere eigentliche Aufgabe beginnt ja erst beim Fronteinsatz. Wer weiß, ob es dazu jemals kommen mag.
Mit den herzlichsten Grüßen an Dich und die Kinder!

Dein Klaus

 

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