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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 21.10.1941 (3.2002.0224)

 

Im Osten, den 21.10.41.



Meine liebe Suse!

Wir liegen hier im Augenblick fest. Seit 2 Tagen herrscht Tauwetter und Regen. Der Boden ist im Grund noch gefroren und oben herrscht ein furchtbarer Matsch, sodass die Wege kaum passierbar sind, jedenfalls nicht für unsere schweren Fahrzeuge. Wir werden hier daher wohl noch etwas bleiben, bis sich die Wegeverhältnisse gebessert haben. Unter diesen Wegeverhältnissen leidet natürlich alles, nicht nur die motorisierten Verbände, sondern auch die bespannten Truppen und der Nachschub. Aber irgendwie wird das Vorwärtskommen doch geschafft. Wir werden mangels feindlicher Flugzeuge vorn kaum benötigt; aus diesem Grunde verbleiben wir hier. Sonst müssten wir trotz schlechtester Wegeverhältnisse weiter vor. Schaffen würden auch wir es. Aber so zerfahren und verstopfen wir die Wege nur unnötig. Für uns ist das natürlich recht langweilig. Bei dieser trüben Witterung - es ist Wetter wie bei uns häufig im November - ist es schon um 5 Uhr dunkel. Schlafen und immer wieder Schlafen ist daher die Losung. Aber man kann natürlich nicht dauernd schlafen. Hier gibt es auch nichts Erfreuliches. Es ist in Russland doch immer dasselbe Bild, zerfallene Häuser, dreckige Dörfer, armselige Menschen und nirgends Frohsinn und Sonnenschein. Es gibt aber auch rein gar nichts, was einem hier Freude bereiten könnte. Ihr könnt es Euch trotz Wochenschau gar nicht vorstellen, wir trübselig das Leben für den russischen Menschen ist. Viele Häuser sind daher auch schon vor dem Feldzuge von ihren Bewohnern verlassen, ohne dass sich jemand darum gekümmert hat. Sie sind noch mehr zerfallen als die bewohnten Häuser. Auch hier wieder das alte Bild: Bauern ohne Vieh und kaum das Nötigste für sich an Essen und Trinken. So sieht der wahre Kommunismus aus. ­
Mir geht es gut. Es ist schon über 1 Woche her, dass ich Post von Dir hatte; Post ist bisher aber auch überhaupt nicht nachgekommen. Auch sie wird unter den Nachschubschwierigkeiten zu leiden haben. - Wir reden natürlich immer wieder vom Nachhausekommen und auch der Urlaub ist ein beliebtes Thema. Wann der aber einmal eintritt, wissen wir natürlich nicht. Ich hoffe immer das beste. Ein ziviles Leben können wir uns kaum mehr richtig vorstellen. Einmal richtig saubere Wäsche anzuziehen, nachdem man gebadet hat, in einem weißen Bett schlafen zu können, an einem ordentlich gedeckten Tisch zu sitzen, ein warmes Zimmer und eine ordentliche Wohnung zu haben, das sind Vorstellungen, die für uns z. Zt. nur etwas Traumhaftes haben. Es ist nur gut, dass wir uns an unser jetziges Leben so ganz langsam gewöhnt haben. Zunächst die Kaserne, dann die Baracken, dann die Scheune, dann das Zelt, aber im Sommer, und allmählich Nässe und Kälte und Dunkelheit dazu. Wenn es jetzt täglich etwas ungünstiger wird, so fällt uns das kaum noch auf. Man wird auch langsam gegen alles gleichgültig. Nur Essen und Trinken und Schlafen spielt neben dem Dienst eine Rolle. Für den, der aus der Kaserne nun zu uns kommt, ist das Einleben hier nicht ganz einfach. Solches Leben gönne ich wirklich manchem Großmaul zu Hause, das hinter dem warmen Ofen heraus und vom gut gedeckten Tisch aus, sich groß tut über Nationalsozialismus und Vaterlandsliebe. Hier lernt man die tönenden Worte und ihre Verursacher zu verachten, soweit das sowieso nicht schon der Fall war. Jeder tut schweigend seine Pflicht, ohne Aufheben davon zu machen. Mögen dann andere auch ruhig sein. ­Ich habe seit 4 Uhr Dienst, daher die Zeit und Ruhe zu solchen Betrachtungen. Du magst aber daraus entnehmen, dass ich noch völlig "unverbraucht und ungebrochen" bin. Ich habe fast regelmäßig auch jetzt jeden 2. Tag an Dich geschrieben.
Mit den herzt. Grüßen auch an die Kinder!
Dein Klaus

 

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