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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 7.9.1941 (3.2002.0224)

 

Russland, den 7.9.1941.



Meine liebe Suse!

Heute abend habe ich wieder Dienst. Es ist jetzt halb zehn und alle haben sich schon zum Schlafen hingelegt wegen der bereits nunmehr nachts schon empfindlichen Kälte. Ich sitze daher allein im Funkwagen. Die Gelegenheit für einen Brief an Dich ist also günstig. - Inzwischen erhielt ich Deinen Brief vom 23.8. aus Elskop und die Karten der Kinder vom Aufenthalt in Elmshorn auf Eurer Rückfahrt. Meinen herzlichsten Dank. Ihr habt es mit dem Wetter also doch noch ganz gut getroffen. Auf Jakob bin ich direkt neidisch. Dass es so etwas überhaupt gibt, kann hier niemand begreifen. Von hier aus wird uns sicher kein Urlaub gewährt. Wir sind wohl auch nicht für einen längeren Aufenthalt hier vorgesehen. Wir müssten eben alles mit Geduld abwarten. Im übrigen bin ich gespannt auf Deinen Brief über die Erzählungen von Jakob. Hier wird allgemein angenommen, dass die Truppen in Südrussland es im Punkte Verpflegung viel besser haben. Es wird vermutet, dass es dort Obst und Gemüse in rauhen Mengen geben müsste. Aber skeptisch bin ich nach meinen Erlebnissen hier auch in diesem Punkte - Es sah hier zunächst so aus, als ob die Ernte überhaupt nicht eingebracht werden würde. Die Dörfer von uns bis zur Front sind von der Bevölkerung geräumt, und der Roggen stand immer auf dem Halm. Das ist aber inzwischen anders geworden. Die Bevölkerung wird von der Militärverwaltung zur Erntearbeit gezwungen. Einmal ist ihnen gesagt, falls sie die Ernte nicht einbringen, bekommen sie nichts von der Ernte, und auch in anderer Weise werden sie zur Arbeit angehalten. Die Leute stehen hier zum Teil auf dem Standpunkt, dass es keinen Zweck hätte zu arbeiten, da ihnen doch alles wieder genommen würde. Bisher trifft dies wohl auch zu. Wenn der deutsche Soldat etwas brauchte, so hat er sich dies aus den Häusern herausgeholt. Das wird wohl auch an der vordersten Linie so bleiben. Denn bevor wir hungern oder frieren, sehen wir zu, dass wir etwas zu essen und heizen bekommen. Aber in 1. Linie werden davon die Äcker betroffen, die dem "Kolchos", das ist das Kollektiv, gehören, und Holz nehmen wir natürlich zuerst von eingestürzten Häusern oder solchen, die nicht mehr bewohnt werden. Wenn es aber in den Winter hinein geht, so werden wohl ganze Häuser zum Bunkerbau dran glauben müssen und manches Haus auch langsam zu Brennholz zerkleinert werden. Was soll der deutsche Soldat schließlich anderes machen. Seine Sicherheit und Gesundheit muss den Belangen der Bevölkerung vorgehen. Männer bekommt man hier kaum zu sehen. Auf dem Acker, der an unsere Stellung stößt, waren beim Roggenschneiden nur Frauen - etwa 35 - 40 - beschäftigt. Sie haben aber ganz gut geschafft. Ich weiß nur nicht, ob die Ernte ausreicht, die Landbevölkerung hier zu ernähren. Wenn auch die mit Roggen und Kartoffeln bestellten Flächen nicht klein sind und der Roggen auch wohl gut lohnt, so kann man das letztere von den Kartoffeln kaum sagen, und die Dörfer sind auch nach meinem Dafürhalten äußerst dicht bevölkert. Was gibt es da für eine Menge kleiner Kinder und damit auch hungrige Mäuler. Aber die Bauern haben unter dem Bolschewismus angeblich einen sehr großen Teil der Ernte an den Staat abgegeben. Danach muss es doch reichen. Die Leute müssen hier eben auch, was die Menge des Essens anlangt, sehr genügsam sein. Vom Bolschewismus wollen sie gern frei werden, um Eigentum wieder zu erlangen, aber sie wollen dies auch sofort haben, und weil dies natürlich jetzt nicht so ohne weiteres möglich ist u. sie dies wohl nicht recht einsehen, ist ihre Arbeitslust auch so gering. - Heute hörte ich im Rundfunk aus einer lustigen Soldatensendung, dass Landser Kartoffelpuffer in Maschinenöl gebacken hätten. Das ist bei uns nichts Besonderes. Wir haben sehr sauberes Öl erbeutet, dass manche für Speiseöl, die meisten aber für Maschinenöl halten. Jedenfalls wird dies Öl eifrig zum Braten benutzt. Ob der Durchfall mancher Kameraden auf den Genuss dieses Öls zurückzuführen ist, wird wohl niemals festgestellt werden.
Mit den herzlichsten Grüßen auch an die Kinder!
Dein Klaus

 

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