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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 24.3.1942 (3.2002.0224)

 

Im Osten, den 24.3.42



Meine liebe Suse!

Gestern Abend sind wir in unserem neuen Bestimmungsort eingetroffen. Es war wieder mal eine Fahrt mit Hindernissen, wie wir es im Winter schon gar nicht mehr anders kennen. Etwa 10 km hinter Gschatsk blieb unser Fahrzeug liegen mit einem Radbolzenbruch. Bis wir Ersatzteile hatten und der Wagen wieder hergestellt, vergingen 2 Tage, sodass wir 3 Tage unterwegs waren, obgleich wir den Weg normalerweise an einem Tag hätten schaffen müssen. In dem Dorf, in dem wir notgedrungen Quartier machen mussten, waren die Häuser schon so überlegt. Wir fanden daher nur auf und unter den Tischen und in den Gängen ein Lager. Aber ich habe trotzdem gut und warm geschlafen. Wir waren immerhin 32 Mann in einem Raum. - Als ich gestern abend hier ankam, fand ich eine ganze Reihe Briefe von Dir und Susanne, einen Brief von meiner Mutter aus Elskop, ein Weihnachtspäckchen von Lisa und eines von Richard Grave vor. Heute erhielt ich noch weitere Briefe von Dir und von Uwe. Auch die Päckchen mit Zigarren waren darunter. Ich habe mich über alles sehr gefreut und danke Dir und Susanne + Peter aufs herzlichste dafür. Doch nun zum einzelnen: Deine Briefe sind vom 20.11., 25.1., 4.2., 6.2., 28.2., 2.3., 4.3., 7.3., 10.3., 14.3. und die von Susanne und Peter vom 31.1. und 26.2. Du siehst, im allgemeinen kommt doch die ganze Post über und in letzter Zeit brauchen die Briefe nur noch 10 - 14 Tage, um hierher zu kommen, sodass es sich lohnt, auch wieder auf die mitgeteilten Einzelheiten einzugehen. Du schreibst eigentlich immer viel davon, dass ich Urlaub bekommen könnte und dass wir möglicherweise herausgezogen werden. Weder mit dem einen noch mit dem anderen ist in absehbarer Zeit zu rechnen. Ich habe mich damit abgefunden. Als heute morgen bei uns im Quartier einer meinte, wir müssten entweder Urlaub bekommen oder bald herausgezogen werden, habe ich, glaube ich, in folgendem Satz die einzig richtige Antwort gefunden: "Wir müssen den Krieg gewinnen, sonst müssen wir gar nichts.“ Das kann sicher noch besser ausgedrückt werden, ist aber inhaltlich allein richtig. Diese Auffassung ist hier auch durchaus vorherrschend, und ich wende mich gegen die andere Ansicht, weil wir dadurch innerlich nur geschwächt werden. Ich sage nur immer, wir haben diesen Winter überstanden, warum sollten wir es den Sommer über hier nicht noch aushalten und evt. noch einen zweiten Winter, wo wir jetzt mit den Unannehmlichkeiten des Winters vertraut geworden sind. Urlaubsspekulationen sind sehr schön; sie dürfen nur nicht zu häufig gemacht werden. - In einem Deiner Briefe schreibst Du vom el. Heizofen; ich erinnere gar nicht, dass Du mal so einen ergattert hast. Ich meinte immer, sie wären nicht zu haben - Erfreulich sind ja die Aussichten bei Simonsens auf Familienzuwachs. Frau Simonsen steigt wieder bei mir im Kurs. Ich hatte von ihr bisher angenommen, das Kinderkriegen und Aufziehen eine zu unbequeme Angelegenheit für sie sei. Aber man gesteht derartige Irrtümer gern ein. - Fritz Wäsers Wunsch, endlich einmal herauszukommen, ist dann nun ja auch endlich in Erfüllung gegangen, Er hat Glück, dass er nur noch den kleinsten Teil des Winters hier miterlebt; denn es ist gar nicht so leicht, sich an diese kalten Verhältnisse zu gewöhnen, wenn man aus der Kaserne kommt. Im Sommer ist natürlich alles viel leichter. - Wie mag wohl die Sache mit Knaur ausgegangen sein? - Wie weit ist Gräft mit seinen Umbauplänen? Die Tochter muss nun doch auch schon laufen können. Mit dem Vermieten der Schreibmaschine an Dose bin ich auf keinen Fall einverstanden. Wer weiß, wie lange der Krieg noch dauert. Schreibmaschinen haben keine allzu lange Lebensdauer. Nach Beendigung des Krieges muss ich zwei völlig intakte Schreibmaschinen haben. Ich habe nichts dagegen, wenn sich jemand, der Gewähr für pflegliche Behandlung bietet - und dazu gehört Dose - eine Schreibmaschine mal eine kurze Zeit ausborgt, d.h. ohne Entgelt. Gegen die Übernahme der Unkosten, die durch das Abreißen der Antenne entstanden sind, wehre ich mich auf jeden Fall. Ich bezahle keinen Pfennig. ­Peters architekt. Vergnügungen finde ich ganz erfreulich. Ich finde es sehr schön, wenn jemand derartige Passionen besitzt. Hoffentlich ist später bei ihm damit auch der Sinn für die Realität des Lebens in ausreichendem Maß verbunden. - Das Päckchen von Lisa enthielt Weihnachtskeks und in den Päckchen von [...] war ein Fläschchen mit Schnaps, ein weicher Käse, einige braune Kuchen und Zigaretten enthalten. Nach der 3-tägigen Fahrt war das besonders angenehm. - Wegen der Schreibmaschine fällt mir übrigens noch ein, die Aussicht der Beschlagnahme durch die Wehrmacht kann mich nicht sonderlich schrecken, auch dagegen werde ich mich wehren, solange es geht. Uwe schreibt übrigens auch, dass noch viel zu viel geschrieben wird. Wie wärs, wenn ein Teil der Schreiberlinge und einmal folgenden letzten Brief schreiben würde: "Liebe Kameraden! Dies ist vorläufig der letzte Brief, den Ihr von mir bekommt. Ich habe mich freiwillig zum Wehrdienst gemeldet und zieh in einigen Wochen an die Ostfront." Solche Briefe, in zahlreichen Mengen abgesandt, würden sicher eine allgemeine Freude an der Front auslösen, die größer wäre als die Freude über Monatsberichte und Ähnliches. - Unser neues Quartier ist ganz nett, aber offenbar verwanzt. Da wir mit den Fernsprechern zusammenwohnen und uns mit ihnen in den Vermittlungsdienst, der nicht nur unsere Batterie umfasst, teilen, brennt aber die ganze Nacht Licht, sodass sie sich nicht so frech hervorwagen, wie es sonst wohl der Fall wäre. Der Winter lässt auch hier nach. Inzwischen ist leichtes Tauwetter eingetreten. Aber bis einmal die großen Schneemassen weg sind, dauert es doch noch sehr lange. Der Schnee liegt hier stellenweise wirklich haushoch im wahrsten Sinne des Wortes. Mitternacht ist schon vorüber. Ich habe Nachtdienst. Ich schreibe nachher noch an Lisa und [...]. So vergeht die Zeit am schnellsten. - Mir persönlich geht es nach wie vor gut. Ich habe einige Furunkel unterhalb des Kreuzes an einer Stelle, die man zu umschreiben pflegt; aber das ist halb so wild und seit einigen Tagen auch im Abflauen. Die Verpflegung ist im Augenblick wieder recht gut. Es gibt hier besseres und reichlicheres Essen als je zuvor bei unserer Küche in Russland, hervorgerufen einmal in der Küche, dann aber auch dadurch weil die Versorgungslage hier hinten aus dem Lande selbst besser ist.
Grüße die Kinder und sei selber aufs herzlichste gegrüßt von
Deinem Klaus

 

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