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Brief (Transkript)

Klaus Becker an seine Ehefrau am 24.11.1941 (3.2002.0224)

 

Im Osten, den 24.11.41.



Meine liebe Suse!

Aus dieser Stellung schreibe ich Dir wohl zum letzten Mal. Denn morgen geht es wieder los. Wir bedauern das natürlich sehr; so gut werden wir es kaum wieder bekommen, wie wir es hier in den letzten 10 Tagen hatten. Aber auch Lisa, unsere Quartierwirtin, bedauert unseren Fortgang. Erstmal fand sie es ganz unterhaltend mit uns und sie kam wohl so leichter über trübe Gedanken hinweg; denn ihr Mann u. ältester Sohn sind Soldat + ihre Tochter sitzt in Moskau. Ihre Zuneigung zu uns hatte aber wohl auch noch einen realen Hintergrund. So lange wir im Hause sind, kommen keine anderen Soldaten, die ihr die Schweine und Schafe, die sie im Stalle hat, wegholen. Die einzige Kuh und das einzige Kalb haben schon früher dran glauben müssen und sind den Soldatentod gestorben. Wenn die Soldaten Hunger haben, nehmen sie der Bevölkerung natürlich auch das letzte Stück Vieh fort. Der Russe trifft mit dem Wegtreiben des größten Teils Viehs, wie er es überall getan hat – es handelte sich dabei um das Vieh, das dem Staate gehörte - in 1. Linie nicht die deutschen Truppen, sondern seine eigenen Landsleute. Bevor nämlich die Truppe verhungern würde, würde zunächst die Bevölkerung drauf gehen. In seinem Empfinden sind die Russen wie Kinder. Häufig weint Lisa, wenn sie an ihre Angehörigen denkt; besondere Sorge macht sie sich um ihre Tochter, da sie ja auch weiß, daß Moskau von unserer Luftwaffe heftig angegriffen wird. Sie sucht dann Trost bei Müller, der ihr dann auseinandersetzt, dass unsere Flugzeuge ja nur militärische Ziele angreifen. Bald lacht sie dann auch wieder und will mit mir zusammen Tee trinken. Das ist aber nur heiß gemachtes Wasser, da der Tee fehlt. Ich verzichte natürlich gern auf die Brühe, mache einige Scherze, die sie nicht versteht, und sie erwidert sie in gleich für mich unverständlicher Weise - Wir werden 2 Tage unterwegs sein, um unsere Batterie zu erreichen. Wo diese z. Zt. ist, wissen wir nicht. Es geht aber in Richtung Moskau, Wolokolamsk - Klin, alles große Orte, die auf der großen Russlandkarte eingezeichnet sind. Wir kommen also in die Gegend nördlich von Moskau. Ob es dann weiter ostwärts geht, um an der Umfassung von Moskau auf diese Weise teilzunehmen, wissen wir natürlich nicht. ­
Ich will diesen Brief gleichzeitig als 1. Weihnachtsbrief schreiben; denn mit einer Beförderungsdauer von 3 - 4 Wochen muss ich wohl rechnen. Ich wünsche Euch allen ein, der schweren Zeit entsprechend, fröhliches Weihnachtsfest. Die Kinder werden auch so ihre große Freude an den Geschenken und dem Tannenbaum haben und Du wirst Dich an der Freude der Kinder erfreuen können. Ich denke mir, dass Du Deine Eltern und [...] zum Feste dort haben wirst. So kommt ihr doch gemeinsam leichter gerade über diese Tage hinweg. Wie gern auch ich zu Hause wäre und wie sehr ich die Weihnachtsfreude zu Hause vermissen werde, brauche ich Dir nicht zu sagen. Gerade die Festtage über wird es für uns sehr schwer sein, hier im weitem Russland sein zu müssen und manch wehmütige Stunde steht uns bevor, wo die Tage immer kürzer werden und die dunkle Tageszeit so viel länger wird. Aber im Kameradenkreise werden wir leichter damit fertig - Post hatte ich noch nicht wieder von Euch. Das Feldpostamt ist seit etwa einer Woche nach Wolokolamsk verlegt. Etwa eingehende Post befindet sich wohl bei der Batterie - Nach verschiedenen Anläufen ist es mir endlich gelungen, beim Zahnarzt anzukommen. Es hat die lose gewordene Plombe entfernt + den Zahn weiter ausgebohrt. Meine Zahnschmerzen bin ich ziemlich los. Ich muss aber zur weiteren Behandlung noch einmal zum Zahnarzt.
Mit den herzlichsten Grüßen auch an die Kinder!

Dein Klaus

 

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