Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Ludwig Kerstiens an seinen Vater am 17.9.1944 (3.2002.0822)

 

O.U. 17.9.44



Lieber Vater.

An einem schönen Sonntagmorgen über Warschaus Rauch, in schönem Wohnzimmer nach der Lektüre von Tasso will ich Dir noch einen schönen Morgengruß senden. Du meinst im letzten Brief, Du könntest nicht mehr ruhig lesen oder dichten. Nun stell Dir vor: Man tobt zur Erkundung zwischen Trümmern und Leichen, Rauch und Qualm und Vernichtung im Bandengebiet herum, es rasselt und knallt und rumpst, dann kommt man nach Haus, nimmt Goethes Gedichte oder Tasso zur Hand und schwärmt und versinkt darin, bis man wieder durch Stukaangriffe herausgerissen wird. Das geht doch! Wenn ich Ruhe dazu habe.-
Unser Block, in dem wir heute hausen, wird von allen Zivilisten evakuiert. Das gibt wieder Jammerbilder! Ich möchte Euch nur noch mal dringend sagen: Geht frühzeitig. Denn heute lässt sich noch in Ruhe und mit allen Sachen fahren. Zwangsevakuierung ist und bleibt aber ein Schrecken. Deshalb laß Mutter und die anderen nur in B. bleiben. Denn anscheinend kommt „er“ dahin doch nicht so bald. Am liebsten wüsste ich alle in Freckenhorst. Aber heute kann ja nicht mehr jeder überall hin.- Ihr nicht wie ich. Aber wenn ich dran denke, dass auch in deutschen Städten Viertel geräumt und anschließend niedergebrannt werden könnten, dass der Krieg wie hier auch zwischen Köln und Aachen tobt. – Nein!!
Aber es hat gar keinen Zweck, solchen Gedanken nachzuhängen. Einmal – da muß es ja besser werden!!
Herzlichen Gruß
Dein Ludwig

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top