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Brief (Transkript)

Ludwig Kerstiens an seinen Vater am 13.10.1943 (3.2002.0822)

 

Frankreich 13.10.43



Lieber Vater.

Nun habe ich Mutter schon von meinen lukullischen Genüssen zwischen Huhn und Schinken soviel erzählt, daß ich nochmal satt geworden bin. In der letzten Zeit geht es mir da jedenfalls besonders gut, und es sammelt sich manches Pfündchen an. Das Koppel ist die beste Waage!
Außerdem rollt jetzt der Urlaub auf Hochtour und ganz am Schluß stehe ich nicht mehr! Der Leutnant scheint auch als Batteriechef besser zu sein als als Infanterieausbilder; er ist eben Philologe. Im ganzen kann ich nur sagen, die Stimmung ist ganz obenauf.
Heute fiel mir besonders mal wieder auf, wie der Krieg doch auf die Menschen wirkt und was da für Charaktere entstehen. Der eine erzählte: Wenn man da dem Russen in vorderster Linie gegenüberstand, beide den Feldspaten erhoben und die nächste Sekunde entschied, wessen Kopf auseinander klaffte in 2 blutende Hälften, dann weiß man, was das Leben ist. Da wird auch mancher wieder lernen, zum Himmel zu schauen. (Er geht selbst nicht in die Kirche)
Der andere: Wer gesehen hat, was hinter dem Namen Stalingrad steckt, wer seine Kameraden von satanischen Weibern verstümmelt und in Qualen dahin gemordet sieht, wer bei 500 Kälte mit kaputten, halberfrorenen Füßen Tag und Nacht marschierte und kämpfte, der weiß, daß es nur eine Wahl gibt: Gerechtigkeit und Unrecht. Alles andere Politik und Religion und was es sei ist doch nur Quatsch. Die das predigen glauben ja selbst höchstens zu ein Prozent daran. Wenn die wirklich für ihr Volk sorgten oder es wirklich einen Gott gäbe, dann gäbe es dies nicht!!
Was mögen wir wohl sagen, wenn es auch uns mal packt?
Dann hörte ich übrigens auch wieder, Münster soll wieder einen schweren Angriff gehabt haben. Unser schönes altes Münster! Hoffentlich höre ich bald Näheres, beruhigendes darüber. Wie geht es mit unseren Verwandten und Bekannten? Wie mit der Langenstraße?
Nun nochmal zum Thema KOB. In dem Lehrgang wurden welche für die Offiziersschule ausgesucht. Eine Verteilung auf die Waffengattungen erfolgt erst da. Außerdem kannst Du das „schwere“ überhaupt weglassen. Näheres kann ich Dir im Urlaub mal sagen.
Nun aber Schluß. Ich bin müde, auch wenn es erst 1/2 10 ist Ich gehe hier immer früh ins Bett, bei Dunkelheit läßt sich doch nichts unternehmen.
Herzliche Grüße und Ursula vielen Dank für Ihren Brief (oder habe ich schon geantwortet?)
Dein Ludwig

 

 



Ansicht des Briefes

 

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