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Brief (Transkript)

Gerhard Kunde an seine Mutter am 02.03.1944 (3.2002.1944)

 

Unterwegs, den 2.3. 1944



Liebe Mutter!

Das ist nun schon der 5. Tag unserer Reise von Rußland nach Frankreich. Wir sind von Brest-Litowsk über Warschau, Posen, Neubentschen ins Altreich gekommen und fahren jetzt, nachdem wir die Lausitz durchquert haben, durch Mitteldeutschland. Eben haben wir Halle (Saale) berührt. Den weiteren Verlauf unserer Fahrt wissen wir übrigens auch noch nicht. Ich nehme an, daß wir in 3 Tagen am Ziel sind. Auch das ist noch nicht bekannt. Ich bewohne zusammen mit meinen beiden Unteroffizieren einen halben Güterwagen, während die andere Hälfte den Leuten von der Schreibstube des Stabes und FW. Schölten gehört. Wir haben es dabei zweifellos am besten vom ganzen Transport, denn der Kommandeur muß seine Waggonseite mit noch 4 Offizieren teilen, den Wagen im übrigen mit den russischen Burschen, während wir nur Deutsche sind. So ein Transport ist in einem Waggon angenehmer als in einem Personenwagen, denn da kann man nie so gut schlafen wie hier auf dem dicken Strohlager. Trotz des unfreundlichen Wetters, das wir in Deutschland antreffen - heute sind wir in einen tollen Schneesturm geraten - ist es in unserem Wagen dank eines kleinen eisernen Ofens recht angenehm warm. Auch die ganze Nacht heizen wir durch, wobei jeder l ½ Stunde Feuerwache hat.
Von dem Eindruck, den Deutschland auf die Russen gemacht, kann ich noch nicht allzu viel sagen. Sehr viele sind ganz stur und interessieren sich überhaupt für nichts, andere behaupten einfach, das gäbe es in Rußland auch alles oder es gefalle ihnen in Rußand besser - bei Angehörigen irgendwelcher Steppenvölker nicht weiter verwunderlich andere wieder, darunter unser altbewährter Fahrer Demtschuk sieht alles sehr genau, die vielen gepflegten Asphaltstraßen, die sauberen Häuser, die durchweg aus Stein gebaut sind, unsere intensive landwirtschaftliche Bodenausnutzung, auch fragt er nach allem, was ihm neu oder unklar ist. Es ist schade, daß ich Euch nicht von unterwegs sprechen kann, aber die Aufenthalte des Zuges sind so unbestimmt und auch vorher garnicht recht bekannt, daß sich das kaum wird bewerkstelligen lassen. Na, ich bin neugierig, wie lange ich Frankreich noch genießen darf, d.h. wenn man dabei jetzt von genießen sprechen kann.
Ich habe diese Zeilen im fahrenden Zuge geschrieben daher auch mit Maschine.
Alles Gute und recht viele liebe Grüße
Dein Gerhard

 

 



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