Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Gerhard Kunde an seine Mutter am 15.08.1943 (3.2002.0864)

 

Im Walde, den 15.8. 43.



Liebe Mutter!

Ja, da liegen wir immer noch, wenn auch nicht mehr an der alten Stelle, denn vorgestern sind wir wieder ein paar Kilometer westwärts marschiert. Das wäre so das Neueste über die Lage hier. In allernächster Zeit geht es weiter in der eingeschlagenen Richtung und dann wird es wohl soweit sein, daß die Div. ihren Auftrag erfüllt hat und erneut sammeln kann. Was danach wird, ist noch die große Frage.
Angeblich soll unser Div.Kommandeur das Eichenlaub zum Ritterkreuz bekommen haben. Man fragt sich wofür, denn worin der Erfolg unserer Div. zu sehen ist, kann ich nicht recht erkennen. Von dem Kommandeur unseres Artillerie-Regiments hörte ich neulich zufällig, daß er allein 24 Offiziere an Toten und Verwundeten verloren habe. Bei der Infanterie dürften die Ausfälle noch größer sein. - -
Inzwischen habe ich auch Deinen Brief vom 6.8. und eine Sendung Zeitungen erhalten. Habe recht herzlichen Dank. Sehr ermunternd ist ja allerdings nicht, was Du mir schreibst. Schuld an allen schlechten Ahnungen und Träumen mich betreffend ist einmal, daß man sich viel zu viel mit seinem Schicksal beschäftigt und außerdem, daß Ihr zu Hause durch Zeitung und Radio vollkommen verrückt gemacht werdet. Diese Frontberichte usw. sind ein ausgemachter Quatsch und einfach nichts für empfindsame Frauengemüter. Allenfalls sollten sie den Heimatkriegern als Verpflegungszulage serviert werden, damit sie wissen, wie gut es ihnen zu Hause geht. Womit ich nicht sagen will, daß es uns hier schlecht geht. Höre nur, was es heute zu Mittag gab: Gulasch mit Möhren und Salzkartoffeln, Pudding. Dies aber in kaum zu bewältigenden Mengen.
Das Wetter ist wunderschön, der Wald, in dem wir liegen, von wildromantischer Schönheit. Es ist also die reinste Sommerfrische.
Heute gab es seit langer Zeit ja wieder einmal eine erfreuliche Sondermeldung über die Erfolge unserer Torpedoflieger im Mittelmeer. Ansonsten sind die Aussichten im Augenblick ja nicht ausgesprochen ermutigend. Wenn Du aber meinst, daß man ja nach der Lage unsere Absichten beurteilt, irrst Du, denn die Vernichtung der russischen Armee stand schon von Anfang an als unsere Absicht fest. Da der Russe im ersten Jahre zurückwich, mußten wir ihm eben folgen. Wenn wir dasselbe jetzt in der Abwehr erreichen, dann ist uns auch das recht. Früher hat man oft Kriege geführt, um feindliche Ländereien zu verwüsten und dem Gegner damit eine Versorgungs- und Operationsbasis zu nehmen. Tun wir nicht etwas ähnliches, wenn wir jetzt den Bogen hier aufgeben und vorher jede Wirtschaftsanlage und überhaupt jedes Haus in Schutt und Asche legen. Leider gab es keine Möglichkeit mehr, die Ernte zu vernichten oder vorher wegzuschaffen, daß durch das Absetzen eine beachtliche Frontverkürzung erzielt wird, ist nicht zu verkennen. Und auf ein paar 1000 qkm kommt es hier ja wirklich nicht an. Und die Verluste der Russen sind besonders an Panzern u. Flugzeugen kaum glaublich.
Das ganze Geschrei mit der Evakuierung Berlins halte ich ja für übertrieben. Schließlich kann man Berlin nicht so leicht bombardieren wie Hamburg, geht doch noch ein Weg von ein paar 100 km über unser Gebiet bis dahin, wo Flak u. Nachtjäger noch erheblich wirken können. Trotzdem wäre es schon gut, wenn Du von unseren Sachen einiges in Sicherheit bringen könntest. Hast Du nicht versucht, noch einmal Fühlung mit Deiner Freundin in Str[...] aufzunehmen? Erd. würde auch ihre Tochter Sachen [?] von Dir unterstellen.
Es wäre mir lieb, wenn Ihr jetzt abwechselnd jeden 2. Tag wenn auch ganz kurz schreiben würdet, damit ich laufend unterrichtet bin. Ich werde Dorth. entsprechend darum bitten. Nur nicht weich werden! Es ist alles halb so schlimm. Recht herzliche Grüße
Dein Gerhard

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top