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Brief (Transkript)

Gerhard Kunde an seine Mutter am 01.08.1943 (3.2002.0864)

 

O.U., den 1.8.43.



Liebe Mutter!

Heute kann ich Dir für Deinen Brief vom 23.7. danken, den 1. nach meiner Nachricht von unserem Abrücken aus dem alten Standquartier. Deine Auffassung, daß unsere zeitweise Unterlegenheit auf einen Mangel an Menschen beruht, ist übrigens nicht richtig. Auch der Russe kann nicht mehr die unheimlichen Menschenmassen ohne Rücksicht auf Verluste ins Feuer schicken wie einst, aber er ist uns in der Artillerie und in den Panzern mengenmäßig haushoch überlegen. Hätte er dazu unsere Richtinstrumente und unsre Soldaten, stünden wir nicht mehr hier. Trotzdem wollen wir nicht auf ein Wunder hoffen, sondern auf eine doch einmal eintretende Erschöpfung der russischen Kräfte. Es gibt Leute, die darauf in Kürze rechnen, darunter sogar ein ehem. bolschewistischer Offz.
Wie Du zu der Auffassung kommst, daß ich das Herumzigeunern so besonders schlecht vertrage, weiß ich wirklich nicht. Ich finde gerade das Gegenteil ist der Fall. Wenn man nicht gerade zu oft um seine Nachtruhe gebracht wird und überhaupt weiß, wo man sich niederlegen kann, dann ist das jetzt im Sommer schon nicht so gefährlich, besonders dann nicht, wenn man noch immer einigermaßen regelmäßig zu essen bekommt. Du brauchst also nicht zu denken, ich liefe jetzt hier als mein eigenes Gespenst umher, sondern bin von dem Nachgelbsuchtaussehen noch weit entfernt und habe dazu eine recht gesunde, leichtbräunliche Gesichtsfarbe.
Überhaupt leben wir seitdem wir hier in K. liegen besonders gut dank dem Umstande, daß wir beim Gebiets- bezw. Kreislandwirt einquartiert sind. Bisher hatten wir auch unsere ganze Menagerie mitgeführt. Das machte aber soviel Umstände, daß wir gestern mit ihrer Auflösung begonnen haben in der Weise, daß wir zunächst das Hühnervolk verzehrt haben. Es war einfach köstlich. Auch zum Frühstück macht sich so ein Stück kaltes Huhn garnicht schlecht. Mit den Kaninchen wird die Sache schon schwieriger. Na, hoffentlich können wir noch ein Weilchen in dieser nahrhaften Gegend bleiben, bevor wir uns auch hier zurückziehen. Mit der Feldpost ist das schon eine verrückte Angelegenheit. Ich hatte Dorth. schon einen Tag früher geschrieben als Dir. Sie sollte Dich eigentlich erst schonend auf unserem Abmarsch vorbereiten, und nun hat sie diesen Brief später bekommen als Du. Ich habe fast jeden Tag geschrieben, immer abwechseln an Dich u Dorth. Da ich weiß, daß Ihr Euch über die eingehende Post gegenseitig unterrichtet, hättet Ihr also laufend über mein Wohlergehen im Bilde sein müssen. Ich bin jetzt ganz besonders froh, daß Du Dorth. hast. Denke nur, wenn Du in dieser Lage wieder ganz mutterseelenallein hättest sein müssen. Sie hat auch ganz richtig erkannt, daß Du Dich am liebsten in Deine Angst und Sorge so richtig einspinnen möchtest. Deshalb wollte sie Dich, wie sie mir schrieb, mit in den Garten ihrer Bekannten nehmen, damit Du ein wenig Zerstreuung hast und gute Luft dazu.
Uffz. Schulz wird morgen in Urlaub fahren. Ich werde ihn sicher sehr vermissen. Er wird von dem Obergefr. Neckermann vertreten, der nach einer langen Irrfahrt wieder bei uns gelandet ist.
Kopf hoch und alles Gute!
Es grüßt Dich recht herzlich
Dein Gerhard.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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